Wir merken unser Gleichgewicht erst, wenn wir’s verlieren. Dabei ist es sekündlich für uns im Einsatz: Balance braucht es nicht nur fürs Radfahren oder fürs Seiltanzen. Ohne sie könnten wir keine Sekunde auf einer Leiter oder Treppe stehen oder uns auf einem vereisten Gehsteig bewegen. „Wer aktiv was für sein Gleichgewicht tut, trainiert immer auch das Vertrauen in den eigenen Körper – und das ist unbezahlbar, egal wie alt man ist“, weiß Ex-Spitzensportlerin Anna Veith, die in diesem Workout-Video einfache Stabilitäts-Übungen vorzeigt, die sie gemeinsam mit ihrem Vertrauens-Physiotherapeuten Max Oberndorfer entwickelt hat. „Manches lässt sich ganz nebenbei in den Alltag einbauen, wie z. B. abwechselnd auf den Zehen und dann wieder auf den Fersen zu stehen. In Summe helfen diese vielen kleinen Dinge, dass der Körper auf die unterschiedlichsten Situationen – wie z. B. Ausrutschen, Stolpern – blitzschnell reagieren kann.“

Balance & Stability Workout mit Anna Veith

Anna wurde ausgestattet von Zalando und unterstützt von Audi.

Kein Reflex, sondern Training

Was oft vergessen wird: Balance ist kein automatischer Reflex, sondern eine Fähigkeit, die trainiert werden kann (und muss). Vor allem mit zunehmendem Alter und schwächer werdenden Knochen ist das wichtig. Denn laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählen Stürze bei Menschen ab 60 Jahren zu den größten Gesundheitsrisiken – mit oft schweren Folgen. Dabei könnte regelmäßiges Gleichgewichtstraining das Sturzrisiko um 30 bis 50 Prozent reduzieren! „Balance-Training brauchen aber genauso junge Menschen, um z. B. beim Gehen oder beim Sport weniger umzuknicken“, erklärt Sport-Physiotherapeut Max Oberndorfer. „Jede Verletzung hat Auswirkungen: Knickt man um, ist man ist gezwungen zu pausieren, man kann sich nicht mehr so gut fit halten, und der Abbau von Muskulatur und Knochenmasse passiert schneller.“

Doch was sind die Pfeiler von Balance?

Diese drei Bereiche müssen gut zusammenarbeiten:

  1. Starke Füße: Sie spüren den Boden, gleichen Unebenheiten aus und liefern dem Gehirn Infos für einen stabilen Stand (mach dazu unsere 7-Tage-Fuß-Challenge, unten verlinken).

  2. Ein kräftiger Rumpf: Rücken, Bauch und Hüfte sorgen dafür, dass du auch bei ruckartigen Bewegungswechseln stabil bleibst.

  3. Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr.

Anna Veith balanciert neben einem BAch in Schladming auf einem Bein

Foto: Philipp Carl Riedl

Flamingo-Test: Wie gut ist dein Gleichgewicht wirklich?

Finde es mit dem „Flamingo-Test“ (ja, der heißt wirklich so!) heraus.

So geht’s:

  1. Einbeinstand. Stelle dich barfuß auf ein Bein, schließe die Augen und versuche, mindestens (!) 30 Sekunden ruhig zu stehen, ohne dich festzuhalten.

  2. Beinwechsel. Probiere es nun mit dem anderen Bein aus. Meist ist eine Körperseite stabiler, jeder von uns hat ein „dominantes“ Bein.

  3. Augen auf. Teste nun das Ganze mit offenen Augen. Wie lange schaffst du’s jetzt?

Auswertung:

30 Sekunden einbeinig – mit geschlossenen Augen – waren ein Problem? Dann solltest du laut Dawn A. Skelton – sie ist Expertin für Altersgesundheit an der Glasgow Caledonian University – gezielt an deiner Balance arbeiten, denn dein Gleichgewicht scheint bereits eingeschränkt zu sein.

Basierend auf Daten des britischen National Health Service (NHS) gelten folgende Richtwerte für die Dauer des Einbeinstands (mit offenen Augen). Achtung: Die Werte dienen zur Orientierung und können individuell variieren. Am besten immer mit einem Arzt / einer Ärztin abklären.

Altersgruppe

So lange solltest du stehen können

18 bis 39 Jahre

43 Sekunden

40 bis 49 Jahre

40 Sekunden

50 bis 59 Jahre

37 Sekunden

60 bis 69 Jahre

30 Sekunden

70 bis 79 Jahre

18–19 Sekunden

80+ Jahre

über 5 Sekunden

Challenge: Stärke deine Füße!

Balance braucht starke und bewegliche Füße: Mit unserer 7-Tage-Challenge stärkst du die kleinen Muskeln, die dich wackelfrei durchs Leben tragen.

Tag 1:

Zehen spreizen und Handtuch krallen. Versuche mit den Zehen ein Handtuch am Boden zu greifen. Timer auf 5 Minuten setzen.

Tag 2:

Einbeinstand beim Zähneputzen. 3 Minuten in der Früh auf dem linken Bein, 3 Minuten abends auf dem rechten Bein

Tag 3:

Rollmassage der Fußsohlen mit einem Tennisball. „Es geht darum, die Muskulatur an der Fußunterseite zu entspannen und weicher zu machen“, erklärt Sportphysiotherapeut Max Oberndorfer.

Tag 4:

100 Schritte auf den Fersen gehen

Tag 5:

100 Schritte auf den Zehenspitzen gehen

Tag 6:

Fersensitz zur Dehnung der Plantarfaszie. Darunter versteht man das starke Bindegewebs-Band an der Fußunterseite, das das Fußgewölbe stützt und bei jedem Schritt Erschütterungen abfängt. „Mit dem Fersensitz kriegt man ein gutes Gefühl dafür, was die Plantarfaszie täglich an Spannung aushält.“

So geht’s:

  1. Du beginnst auf einer weichen Unterlage im Vierfüßlerstand. Die Hände sind unter den Schultern, die Knie unter den Hüften.

  2. Stelle nun alle Zehen auf – so, als würdest du dich für einen Sprint abstützen. Auch der kleine Zeh sollte Kontakt zum Boden haben, er rutscht gerne zur Seite weg.

  3. Drücke die Fußballen in den Boden.

  4. Richte den Oberkörper auf, bis dein Gesäß auf den Fersen sitzt. Wirbelsäule gerade halten!

  5. Du wirst eine deutliche Dehnung an den Fußsohlen spüren.

Anfänger: 30 Sekunden halten. Wird’s zu unangenehm, stütze den Oberkörper und die Arme wieder nach vorne ab, übe jedoch weiterhin Dehnung auf Zehen und Ballen aus.

Fortgeschrittene: 1,5 bis 2 Minuten halten.

Tag 7:

Barfuß auf unterschiedlichen Untergründen gehen (10 Minuten): Sand, Wiese, Waldboden, Kieselsteine. „Damit aktiviert man die Tiefenmuskulatur und auch die Beweglichkeit im Sprunggelenk, weil sich der Fuß ständig angleichen muss“, erklärt Bewegungsexperte Max Oberndorfer.

Mini-Labyrinth im Kopf: Wie dein Ohr für Körperstabilität sorgt

Ohne die Wachsamkeit des Gleichgewichtsorgans im Innenohr – auch vestibuläres System genannt – würden wir uns ständig im Schleudergang befinden.

Wie funktioniert das Gleichgewichtsorgan im Innenohr?

Stell dir das vestibuläre System wie ein Labyrinth aus winzigen Röhren und Säckchen vor, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Darin analysieren feine Antennen-Härchen jede Flüssigkeitsbewegung: Dreht sich der Kopf? Neigt sich der Körper zur Seite? Wird’s gerade schneller? Diese Infos wandern ins Gehirn, das wiederum die Kommandos gibt, alles in flüssige Bewegungen umzuwandeln.

Kurven, Geschwindigkeit, viele Reize: Was deine Balance stört

Prasseln zu viele Reize auf dein System ein (z. B. bei hohem Seegang, kurvigen Straßen, in der Achterbahn, bei schnellen Geschwindigkeitswechseln), werden die Antennen-Härchen verwirrt. Die Folge: Schwindel, Übelkeit oder Gleichgewichtsverlust. Genauso können laut Universitätsspital Zürich Alkohol, Medikamente oder Innenohrentzündungen das sensible Organ stören. Und: Im Alter verändert sich die Durchblutung vieler Körperbereiche, unter anderem auch im Innenohr – was das Risiko für Schwindel und Stürze erhöht (siehe Übungen für Augen und Innenohr in der nächsten Story!).<<

Gleichgewicht trainieren mit Augen- und Kopf-Übungen

Dein Gleichgewichtssinn im Ohr lässt sich mit winzigen Bewegungen von Augen und Kopf trainieren – und z. B. häufigen Schwindel regulieren. Das Ärzteteam der HNO-Praxis im deutschen Biberach empfiehlt etwa diese zwei Varianten, die auch im Sitzen funktionieren:

1. Augen rollen

  • Nach oben und unten: Schau langsam nach oben, dann nach unten. Je 10 Mal. Im zweiten Durchgang alles etwas schneller machen.

  • Von rechts nach links: Schau 10 Mal langsam zur rechten Seite, dann 10 Mal zur linken. Danach etwas schneller wiederholen.

2. Kopf-Karussell für mehr Balance

  • Vor und zurück: 10 Mal den Kopf langsam nach vorne (Kinn zur Brust) und dann nach hinten (Blick zur Decke) kippen.

  • Kopf-an-Schulter: Lege den Kopf sanft zur rechten Schulter, dann zur linken. Je 10 Wiederholungen.

  • Kopf drehen: Wende den Kopf nach rechts, dann nach links. Erst langsam, dann schneller.