Was ist eine Schrothkur?
Nein, sie hat weder mit der Schrotflinte zu tun, noch mit "Schrot und Korn" – und mit dem Schrottplatz auch nicht. Wir haben uns angesehen, woher die 4-Säulen-Kur kommt und wie sie funktioniert.

Foto: Gesundheitsresort & Spa Rosenalp
Benannt ist die Schrothkur nach ihrem Erfinder Johann Schroth (1798 - 1856), der das Naturheilverfahren vor zirka 200 Jahren entwickelte. Der Anlass war eine Verletzung, die sich Schroth zuzog, als er eines seiner Pferde beschlagen wollte. Das nervöse Tier trat aus und traf den Fuhrwerker am rechten Knie. Ärzte waren für den Mann aus einfachen Verhältnissen unerschwinglich, sämtliche Hausmittel der Familie hatte er bereits – erfolglos – durchprobiert. Letztlich gab ihm ein wandernder Mönch den Ratschlag, das Knie mit einem feuchten Wickel zu behandeln.
Rund zehn Wochen lang hielt Johann Schroth durch – danach war das Knie wieder heil. "Mit der Einhüllung erkrankter Körperteile in feuchte Wärme entdeckt Schroth das erste Prinzip seiner späteren Kur. Wir schreiben das Jahr 1817 – es ist die Geburtsstunde der Schrothkur. Bald schon wird Schroth von Fuhrleuten und von Bauern angesprochen und gebeten, ihnen und auch ihren Tieren bei Quetschungen, Geschwülsten und Gelenkserkrankungen mit seiner 'speziellen Methode' zu helfen", schreibt die deutsche Schrothkur-Ärztin Dr. med. Susanne Neuy in ihrem Buch "Multitalent Schrothkur".
Damals und heute
Kleiner Zeitsprung: Die Schrothkur, wie sie heute praktiziert wird, beruht immer noch auf den Prinzipien, die Johann Schroth durch Beobachtungen und Erfahrungen entwickelt hat. Allerdings wurden diese an das Leben im 21. Jahrhundert (und unser aktuelles medizinisches Wissen) angepasst.
Heute ist die Schrothkur ein anerkanntes Naturheilverfahren, das vor allem in der Präventionsmedizin zur Anwendung kommt. Was als Wohltat für Gelenke und Bewegungsapparat erfunden wurde, ist mittlerweile gut erforscht und zeigt auch in vielen anderen Bereichen, insbesondere in der Behandlung von Diabetes Typ 2 erstaunliche Ergebnisse. Eine Langzeitstudie der Universität München konnte erst kürzlich die positiven gesundheitlichen Wirkungen der Schrothkur bei Menschen mit Typ-2-Diabetes wissenschaftlich belegen.
Was ist eine Schrothkur nicht?
Da bei einer Schrothkur weniger Kalorien aufgenommen werden als der Körper verbraucht, gilt sie offiziell als "hypokalorisch bilanzierte Diät" und fällt laut EU-Verordnung unter die Arztpflicht. Dennoch ist die Schrothkur – das sei an dieser Stelle ganz klar betont – keine Diät im herkömmlichen Sinne. Auch wenn (siehe unten) die kalorienreduzierte Ernährung eine wichtige Rolle im Kurablauf spielt, ist der Gewichtsverlust bei einer Schrothkur eher ein (für viele Patient*innen glücklicher) Nebeneffekt. Im Zentrum steht die Wiederherstellung der Selbstregulierungs- und Selbstheilungskräfte des Körpers.
Was eine Schrothkur auch nicht ist? Ein gemütlicher Wellness-Spaziergang. Ja, die "Schrothler", wie die Patient*innen liebevoll genannt werden, berichten von Gefühlen des Glücks und der Leichtigkeit, von wieder gewonnener Energie, vor allem in der dritten (und letzten) Woche der Kur. Aber der Weg dahin verlangt Disziplin und mitunter muss – wie bei jede Kur – die eine oder andere Heilkrise überwunden werden. Ein wenig Durchhaltevermögen und "Biss" ist also gefragt.

Foto: Gesundheitsresort & Spa Rosenalp
Wo kann ich eine Schrothkur machen – und geht das auch zuhause?
Nein, zuhause geht das nicht. Das liegt in erster Linie an den Schroth'schen Schwitzpackungen aus feuchten Tüchern, die du dir selbst nicht anlegen kannst. Dafür gibt es spezielle "Packerinnen", deren Ausbildung über die deutsche Schroth-Akademie in Oberstaufen geregelt ist. Und genau hier, in Oberstaufen, ist auch die Heimat der Schrothkur.
Das idyllische Örtchen im Allgäu ist nicht nur Luftkurort, sondern auch das einzig offiziell anerkannte Schroth-Heilbad weltweit. Sechzehn Betriebe haben sich hier auf die Kur spezialisiert, die in Deutschland seit 2021 zu den Pflichtleistungen der Krankenkassa zählt. Außerhalb Oberstaufens wird die Kur noch im österreichischen Obervellach, Kärnten, angeboten. Dort sind es tatsächlich Nachfahren von Johann Schroth, die eine Kurklinik betreiben. Das Kursystem weicht punktuell von der in Oberstaufen praktizierten Variante ab.

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Die vier Säulen einer Oberstaufener Schrothkur
1. Tägliche Schrothpackungen (Ganzkörperwickel):
Morgens zwischen zwei und vier Uhr früh wird der Körper in feuchte, kühle Tücher gewickelt und warm eingepackt. Das steigert die Körpertemperatur, regt den Stoffwechsel an, fördert das Schwitzen und damit die Ausscheidung von Schadstoffen. Die "Schrothler" bleiben etwa zwei Stunden in der Packung liegen, danach sollten sie noch mindestens eine Stunde ruhen.
Dr. Aliia Fink, die im Gesundheitsresort und Spa Rosenalp als Kurärztin die Patient*innen betreut, erklärt: "In der Nacht zwischen drei und sieben Uhr morgens ist die Leber aktiv, der Stoffwechsel springt an, der Cortisolspiegel geht hoch. Deswegen nutzen wir dieses Zeitfenster. Mit dem Schrothwickel verursachen wir eine Art künstliches Fieber, das ein Detox-Programm im Körper auslöst."

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Foto: Gesundheitsresort & Spa Rosenalp
2. Schroth’sche Diät:
Die Ernährung ist streng vegetarisch (mit Ausnahme des Honigs sogar vegan), fettarm und salzarm. "Es ist eine basische Ernährung", sagt Dr. Fink, "Reizarm und kalorienreduziert (ca. 600 Kalorien täglich), um den Stoffwechsel zu entlasten und den Körper zu entschlacken. Aber: Geschmacklos ist das nicht! Im Schnitt nehmen Schrothler*innen 10 bis 12 Gramm pflanzliches Eiweiß pro Tag zu sich. Gerade für die Patient*innen mit Gelenkbeschwerden ist es fantastisch, dass sie so ein bisschen entgiften können." Eckpfeiler der Schroth'schen Ernährung sind zudem Sauerkraut und Pflaumensuppe. "Um den Darm zu reinigen", erklärt Dr. Fink. Und: "Die Wirkung stellt sich sehr schnell ein: Blutdruck und Blutzucker werden messbar niedriger."
3. Wechsel von Trink- und Trockentagen:
Es wechseln sich Tage mit reduzierter Flüssigkeitsaufnahme ("Trockentage") und Tage mit erhöhter Trinkmenge ("Trinktage") ab. An Trockentagen gibt es wenig zu trinken – "aber natürlich genug, um die Nieren nicht zu belasten. Das ist lange nicht mehr so streng wie früher", beruhigt Dr. Fink. Das Ziel ist, Giftstoffe im Gewebe zu binden, die dann an Trinktagen mit vermehrter Flüssigkeitszufuhr ausgeschwemmt werden. Der Wechsel wirkt wie eine "Gewebsdrainage" und fördert Entgiftungsprozesse.
In dem Buch "Multitalent Schrothkur" findet die Autorin ein sehr einprägsames Bild für diese dritte Säule: "Stellen Sie sich einen verschmutzen Schwamm vor, den Sie reinigen wollen. Sie können dies auf zweierlei Weise tun: Entweder waschen Sie ihn unter fließendem Wasser solange aus, bis der Schmutz entfernt ist. Oder sie lassen zuerst Wasser drüber laufen, drücken es dann aus, lassen ihn sich erneut mit Wasser vollsaugen und pressen es wieder aus – das Ganze im Wechsel so lange, bis der Schwamm sauber ist. Wie Sie anhand dieses kleinen Experiments feststellen können, wird der Schwamm leichter und besser sauber, wenn Sie ihn zwischendurch ausdrücken, als wenn Sie ihn permanent mit Wasser übergießen. Genau dies ist das Prinzip des Wechsels zwischen Trocken- und Trinktagen."

Foto: Christoph Schöch / Gesundheitsresort & Spa Rosenalp
4. Ruhe und Bewegung:
Diese Säule gab es zu Zeiten von Johann Schroth noch nicht, da seine Patient*innen fast alle körperliche Arbeit an der frischen Luft gewohnt waren. Heutzutage ist das anders, daher wurden Tage der Bewegung (Spaziergänge, Wandern, Schwimmen) und Tage der Ruhe (z.B. Yoga, Meditation, autogenes Training) eingeführt. Das vegetative Nervensystem soll lernen, einen Ausgleich zwischen Sympathikus und Parasympathikus herzustellen. "Die Ruhetage sind für die Seele", sagt Dr. Fink, "Einfach im Spa liegen, ein Buch lesen, genießen. Das gehört genauso dazu."

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Wie lange dauert eine Schrothkur?
Unterschiedlich. Die besten Ergebnisse werden mit einer drei-wöchigen Kur erzielt. Dass das für viele arbeitenden Menschen eher illusorisch ist, ist klar. Schon allein deshalb werden in Oberstaufen auch kürzere Kuren angeboten: Mit zwei Wochen ist man schon ganz gut aufgestellt. Eine Woche ist möglich, wenn man im Vorfeld daheim eine "Vorkur" macht und sich bereits einige Tage basisch und kalorienreduziert ernährt. Auch die Aufbautage fallen dann in die Eigenverantwortung nach der Kur. (In Obervellach werden die Kuren u.a. für 12 Tage angeboten – plus 3 Tage Aufbau.)
QUELLEN:
Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Dr. Aliia Fink, Kurärztin im Gesundheitsresort Rosenalp, entstanden. Eine Informationsbroschüre zur Schrothkur (inklusiver Erklärung der Säulen und Indikationen) stellt das Resort hier zum Download zur Verfügung.
Buch: "Multitalent Schrothkur" von Dr. med. Susanne Neuy (erschienen im Kluges Verlag)