Im Grunde ganz einfach: Freundschaft ist ein Gefühl, das alle Stückeln spielt und den Ton dabei auf wundersame Weise immer trifft. Trotzdem schadet es nicht, hin und wieder ganz genau hinzuhören.

Willi ist pathologisch faul. Außer es geht um Maja (und um Honig), dann fährt er seinen Stachel wie einen Pfitschipfeil aus. Old Shatterhand und Winnetou sind einander so gewogen, dass sie ihr beider Blut vermischen, und Schiller und Goethe wetzten in gegenseitiger Anbetung ihre Edelfedern. Und was sagt der kleine Bär zum unglücklichen Tiger? „Dann steig auf. Ich trag dich ein Stückel.“

So einfach? Ja, so einfach. Denn Freundschaft kann alles bedeuten. Freundschaft ist ein dynamischer Prozess, laut Philosoph Dr. Rüdiger Zill „potenziell grenzenlos“ – und durch Prädikate allein niemals ganz zu fassen. Die Suche nach einer allgemeingültigen Definition von Freundschaft stellt selbige zwischen Soziologie und Psychologie seit Jahrzehnten immer wieder auf die Probe. Der Versuch einer gemeinsamen Auslegung: Freundschaft ist eine freiwillige, persönliche Beziehung, die auf gegenseitiger emotionaler Unterstützung, Respekt, Vertrauen und verbindenden Aktivitäten basiert.

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Hat man erfolgreich Freunde gefunden, kann man sie auf unterschiedlichste Art „kategorisieren“. Der griechische Philosoph Aristoteles hat’s vorgemacht*, viele sind nachgezogen. Aber bitte Vorsicht, hier droht Ungemach: Nur 50 Prozent jener Menschen, die man selbst für seine Freunde hält, sehen das ebenso. Das beweist zwar einmal mehr, dass Freundschaft nicht messbar ist, zeugt aber auch vom Dilemma, unsere sozialen Beziehungen realistisch einzuschätzen.

*Er unterscheidet zwischen nützlicher, angenehmer und vollkommener Freundschaft.

Warum tun mir Freunde so gut?

Weil sie mich zum Abenteurer machen, die tief verwurzelte Sehnsucht nach Zugehörigkeit stillen – und ganz nebenbei einen unsichtbaren Schutzwall um mich bauen. Aus dem Ich wird ein Wir.

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Affen haben es schon immer gewusst. Laust einer den anderen, gießt er dabei das zarte Pflänzchen der Freundschaft – die wechselseitige Fellpflege ist also nichts anderes als Netzwerken im besten Sinne. Bis zu 20 Prozent ihrer wachen Zeit verbringen höher entwickelte Primaten mit dieser Spielart sozialer Zärtlichkeit, und der Homo sapiens tut’s ihnen gleich. Der kleine Unterschied: Letzterer laust nicht, er spricht. Kommunikatives Kraulen sozusagen. Das ist nicht nur zeitökonomischer, sondern in sozialer Hinsicht auch effektiver.

Verhaltensforscher Desmond Morris prägte den Begriff Grooming Talk für diesen Austausch mehr oder weniger gehaltloser Nettigkeiten, der in letzter Konsequenz nur ein Ziel verfolgt: Freunde zu finden und sie im besten Fall auch zu behalten. Ein Leben lang.

Freundschaft ist wie Heimat.

Kurt Tucholsky, deutscher Schriftsteller (1890–1935

Komm und spiel mit mir

„Wenn man einen Freund hat“, sagt Janoschs kleiner Bär, „der Pilze finden kann, braucht man sich vor nichts zu fürchten! Nicht wahr, Tiger?“ Und wer sich nicht zu fürchten braucht, der tut sich mit dem Glücklichsein leichter. Und stärkt damit obendrein seine Gesundheit.

Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit ist also tief in unseren Genen verwurzelt. Die Gruppe sicherte einst unser Überleben – und das tut sie in gewisser Weise heute noch. Auch wenn der Feind nicht mehr Säbelzahnkatze heißt, sondern Schlaflosigkeit. Oder Angst, Liebeskummer, Kollegenärger, Schmerz.

Bereits als Baby beginnen wir vor Wonne zu glucksen, wenn ein aufgewecktes Kindergesicht unsere Aufmerksamkeit kitzelt. Mit drei Monaten suchen wir den Blickkontakt zu Gleichaltrigen im Raum, und das gegenseitige Schubsen und Boxen im Kleinkindalter heißt nichts anderes als: „Komm und spiel mit mir!“ Den Sandkastenfreund gibt’s also wirklich – und er baut mit Küberl, Schauferl und Leidenschaft an der Kameradschaft fürs Leben.

Identität und Intimität in der Freundschaft

Psychologin und Freundschaftsberaterin Mag. Katharina Smutny weiß: „Wer mit Gleichgesinnten kommuniziert, erhält und gibt Feedback, spiegelt und wird gespiegelt. Das hilft, soziale Normen und Regeln zu verinnerlichen, die eigene Identität zu formen, sich selbst zu spüren und kennenzulernen.“

Später dann schöpfen wir in erster Linie aus emotionaler Intimität. Dabei geht’s um Sicherheit und Geselligkeit in der Clique, um Abenteuer, den Tanz zwischen Abgrenzung und Abhängigkeit. Zusammen ist man weniger allein, das merken wir schnell – und spätestens dann, wenn Körper oder Seele straucheln, spüren wir, dass unsere Nächsten auch unsere Medizin sein können.

„Wir brauchen Freunde so nötig wie das Wasser, die Nahrung und die Luft. Freundschaft ist ein Lebenselixier“, bringt es Sozialpsychologe Dr. Wolfgang Krüger in seinem Buch „Freundschaft“ auf den Punkt. Davon zu kosten zahlt sich auf jeden Fall aus.