Wie wird aus Bekannten ein Freund oder eine Freundin?
Die Formel, um aus einem flüchtigen Bekannten einen engen Vertrauten zu machen, ist gar nicht so kompliziert.

Bild: Mauritius Images
Zuerst spielt der Zufall eine Rolle, später die Zeit. So um die 200 Stunden sollten wir schon einplanen. Freundschaft steht in der modernen Gesellschaft hoch im Kurs. In Zeiten, in denen es die traditionelle Großfamilie nicht mehr gibt und es die klassische Paarbeziehung nicht mehr geben muss, steigt nicht nur die Lust, sondern auch die Notwendigkeit, neue Verbindlichkeiten zu schaffen. Und so kann’s gelingen.
Nähe: Gelegenheit macht Freunde – diesen banalen Umstand untermauert unter anderem eine Studie, in der Psychologiestudenten bei ihrer Einführungsvorlesung per Losnummer Sitzplätze zugewiesen wurden. Ein Jahr später waren sie mit den Kommilitonen, neben denen sie zu Beginn ihres Studiums zufällig eine Stunde lang gesessen waren, im Schnitt tatsächlich besser befreundet als mit anderen. Warum? Durch Nähe entsteht Vertrautheit, die wiederum führt zu Sympathie und Interdependenz (soll heißen: Man braucht einander).
Kontakt: Je öfter wir einen flüchtig bekannten Menschen sehen, desto sympathischer wird er uns – sofern wir ihn nicht impulsiv ablehnen. Experten führen das auf den „Mere-Exposure-Effekt“ zurück; die Häufigkeit der Darbietung spielt also eine große Rolle. Was wir schon kennen, kann unser Gehirn leichter verarbeiten, und so empfinden wir Vertrautes als belohnend. Das ist ein Grundstein für Freundschaft.

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Eigennutz: Wir suchen Freunde zwar nicht aus rationalem Kalkül, sehen in ihnen aber doch eine Art emotionales Investment, weiß Philosoph Rüdiger Zill. Das heißt so viel wie: Wenn ich etwas gebe, will ich etwas zurück. Das gilt für emotionale Belange („Ich bin lustig. Wie gut kannst du mich unterhalten?“) ebenso wie für pragmatische Bedürfnisse („Ich leihe dir meine Mitschrift. Hilfst du mir beim Umzug?“). Klingt ernüchternd, ist aus evolutionstheoretischer Sicht aber durchaus logisch.
Geschlecht: Zu 70 bis 80 Prozent entstammen Freunde dem eigenen Geschlecht. Unter jüngeren Erwachsenen ist der Anteil der andersgeschlechtlichen Freunde noch relativ hoch, im Alter am niedrigsten.
Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.
Aristoteles, griechischer Philosoph (384–322 v. Chr.)
Ähnlichkeit: Psychologin Katharina Smutny: „Gleich und Gleich gesellt sich gern, die Wissenschaft spricht hier vom Similarity-Attraction-Effekt“: Ähnliche Personen ziehen einander an. Allerdings muss sich diese Ähnlichkeit nicht zwingend mit der Wirklichkeit decken. Für die erfolgreiche Anbahnung reicht es bereits, wenn sich Menschen als ähnlich wahrnehmen.
Zeit: Wie lange es dauert, bis aus Anziehung mehr wird, ist ein Zahlenspiel der Wissenschaft: Es braucht mindestens 50 gemeinsame Stunden, um vom „Bekannten“ zum „Freund“ zu werden. Weitere 90 Stunden sind nötig, um vom „Freund“ zum „guten Freund“ zu wechseln. Und nach 200 Stunden Beisammensein haben wir einen „besten Freund“.

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