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Frau Laciny, um mich herum haben gerade alle Schnupfen und Halskratzen. Ich sehe schwarz für diese Erkältungssaison. Haben Sie einen Geheimtipp, um den Winter möglichst infektfrei zu überstehen?Dr. Sonja Laciny: „Ja – genug schlafen!“

Das ist alles? „Nein, das ist natürlich nicht alles, aber das ist ein sehr wichtiger Punkt, der meistens viel zu wenig beachtet wird. Was wir den Patienten wirklich immer nahezulegen versuchen, ist, auf Ruhe, Pausen und Schlaf zu achten. Sprich: Das ist sowieso immer wichtig, aber gerade in der Infektsaison gibt es nichts Einfacheres, um das Immunsystem zu stärken.“

Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich bin total pro Winterschlaf. „Bei uns in der westlichen Kultur wird Schlaf aber leider sehr vernachlässigt. Dabei kann man mittlerweile schulmedizinisch nachweisen, dass die sogenannten T-Helferzellen, die ein Teil des Immunsystems sind, bei weniger als sechs Stunden Schlaf messbar abnehmen. Wir leben in einer sehr leistungsorientierten Gesellschaft; wir denken, wirmüssten zwölf, fünfzehn Stunden Arbeit unterbringen – und viele machen das auf Kosten von Pausen und Schlaf. Was das gesundheitlich kostet, merkt man vielleicht in jungen Jahren noch nicht so.”

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Wie viel sollte ich denn schlafen? „Es ist ein bisschen individuell, wie viel Schlaf jeder braucht. Aber selbst jungen Patienten empfehlen wir, mindestens sieben bis acht Stunden am Tag zu schlafen, plus/minus einer – und mindestens eine Pause am Tag zu machen. Die Chronobiologie, das ist eine Wissenschaft, die 2017 einen Nobelpreis gewonnen hat, sagt uns, dass wir auch tagsüber einen natürlichen Abfall in unserer Energiekurve haben. Die meisten Menschen würden nach vier bis sechs Stunden Aktivität eine Pause brauchen. Normalerweise spürt man es sowieso. Wenn man aber jung ist oder eben keine merkbaren Schwächen hat, geht man oft mit Gewalt über dieses Bedürfnis drüber. Oder man trinkt halt seine fünf Tassen Kaffee und versucht so, das Energietief irgendwie zu übertünchen. Zur Gesunderhaltung wäre es aber ein wirklich einfacher, kostenloser und sehr wirkungsvoller Beitrag, auf das körpereigene Bedürfnis nach einer Pause, auf seine Energie und den Schlaf zu achten.”

Wie schaut so eine Pause aus? Eine halbe Stunde zu Mittag? „Ja, zwanzig bis dreißig Minuten, nicht viel länger. Man soll sich den Schlafrhythmus ja nicht damit durcheinanderbringen. Wenn man eineinhalb Stunden liegt, kann’s gut sein, dass man am Abend nicht einschlafen kann. Am besten ist, man stellt sich einen Wecker am Handy und legt es in eine Distanz, dass man aufstehen muss, um es abzudrehen. Von mir aus kann man danach den Kaffee trinken oder noch besser einen Spaziergang an der frischen Luft machen, um sich zu aktivieren und kreislaufmäßig in Schwung zu kommen. Zum Ruhen muss man sich jedenfalls nicht mit Pyjama ins Bett legen. Es reicht irgendwo ein bequemes Sofa, Augen zumachen, vielleicht Meditationsmusik hören, Atemübungen …

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Je öfter wir das machen, desto rascher schafft es unser Körper, in diesen Entspannungsmodus zu kommen, in den sogenannten Parasympathikotonus. Denn Entspannung ist auch eine Trainings- und Übungssache. Wir trainieren immer unseren Sympathikus mit Aktivität, auch mit Sport. Klar ist das gesund. Aber genauso wichtig ist es, unser Entspannungssystem zu trainieren. Weil die Fähigkeit zur Entspannung auch etwas ist, was verlorengehen kann – und das führt dann zum Beispiel zu Schlafproblemen.”

Bei unter sechs Stunden Schlaf nehmen die T-Helferzellen des Immunsystems messbar ab.

Dr. Sonja Laciny, TCM-Ärztin

Also genau wie bei Muskeln, Motto „Use it or lose it“? „Ja. Ich habe viele ältere Patienten, die nicht mehr so viele Termine und Berufsstress haben und es trotzdem nicht schaffen, eine halbe Seite in einem Buch zu lesen, weil sie so eine innere Unruhe und Nervosität haben. Eben weil der Parasympathikus, das entspannte Nervensystem, genauso verkümmern kann. Wie wichtig beide Anteile in uns sind – Ruhe ebenso wie Aktivität –, wird in der chinesischen Medizin und Philosophie übrigens auch durch das Yin-Yang-Symbol dargestellt. Das kennen ja viele Menschen: Das Schwarze in dem Symbol entspricht dem Yin, dem Parasympathikus, dem entspannten Nervensystem, das Weiße ist das Yang, das für das aktive Nervensystem steht. Beiden Anteilen steht jeweils die Hälfte des Symbols zu. Das signalisiert, dass wir dann gesund sind, wenn Sympathikus und Parasympathikus in Balance sind. Es darf mal das eine ein bisschen überwiegen, dann darf das andere ein bisschen überwiegen, aber auf lange Zeit sollte es ausgewogen sein. Man muss sich da wirklich selber spüren lernen, um wieder zu merken: Wann brauche ich was?”

Das finde ich jetzt spannend, weil ich gedacht hätte, eine Pause ist zum Beispiel auch ein kleiner Spaziergang. Oder einfach aufstehen, weg vom Computer, mal ins Grüne schauen. Aber Sie sagen, eine richtige Pause ist es nur dann, wenn ich mich wirklich hinlege und die Augen zumache? „Prinzipiell bringt Bewegung auch Stressabbau. Das ist auch eine Pause. Es geht darum, eine Phase zu haben, in der man keinen Zeitdruck und keinen Leistungsdruck hat. Und da muss ein jeder eben entscheiden: Setze ich mich hin und mache die Augen zu, oder brauche ich jetzt einen Spaziergang an der frischen Luft? Die beste Kombi wäre, sich vorher hinzusetzen, Augen zuzumachen, nachher frische Luft zu tanken, um sich wieder zu aktivieren. Nur muss man da wahrscheinlich Kompromisse schließen. So viel Zeit hat man ja meistens nicht! Allerdings kenne ich auch Menschen, die gehen in der Mittagspause rasch ins Fitnessstudio und checken am Laufband die Pulsuhr, um die nächsten Kilometer noch schneller zu sein. So etwas ist leider keine Pause. Natürlich aktiviert das, weil es uns pusht, aber wenn Bewegung mit Leistungsdruck verbunden ist, ist das keine Entspannung.”

Was kann ich denn, von Pausemachen und entspannter Bewegung abgesehen, noch tun, um gesund zu bleiben? „Oh, ganz viel! Ernährung ist da natürlich ein Riesenthema. Also, wenn man jetzt in Richtung kalte Jahreszeit schaut, plädieren wir in der TCM sehr dafür, möglichst zwei-, dreimal am Tag warm zu essen. Meistens kriegen die Patienten gleich große Augen und sagen: Um Gottes willen, wie mache ich das?”

Genau: Um Gottes willen! Wie mache ich das? „Das kann ganz einfach sein. Im Prinzip geht es nicht darum, ein Fünf-Sterne-Menü zu kreieren, sondern einfach eine warme Suppe.“