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Es heißt, Yogis kauen ihre Nahrung, bis sie völlig geschmacklos ist. Denn so lange sie nach etwas schmeckt, enthält sie Prana, die Lebensenergie. Erst durch gründliches, langsames und bewusstes Kauen wird diese Energie vom Organismus zur Gänze aufgenommen. Die „grobstofflichen“ Nahrungsanteile werden schließlich geschluckt.

Und jetzt zerbeiß’ ich’s – oder doch nicht?

Hm, so betrachtet, wird aus mir nix mehr Großes. Erleuchtung? Vielleicht im nächsten Leben.

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In puncto Kauen und ‚langsam essen‘ agiere ich viel zu oft auf dem Niveau eines Krokodils. Leider.

Vor allem im Alltag neige ich dazu, schnellschnell, zwischendurch und oft auch sehr unachtsam zu essen. Böse Zungen würden dazu „gierig“ sagen (ich eh auch). Dann ärgere ich mich über mich selbst, oft folgt dem Schlingen ein Schmerz. Im Bauch und überhaupt.

Irgendwas hat’s da offenbar mit meinem Bauchhirn. Die TCM-Ernährungsexpertin meines Vertrauens schüttelt einige Tage später den Kopf und meint, es wäre höchste Zeit, etwas zu verändern. Weil es eben sehr wichtig sei, achtsam zu essen.

Bild: Travis Yewell/Unsplash

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Wie, was und unter welchen Umständen wir essen, beeinflusst den Darm direkt. Doch nicht nur in der Traditionellen Chinesischen Medizin oder aber bei den Yogis gilt die Art der Nahrungsaufnahme als wesentliche Zutat fürs Wohlbefinden. Auch in der westlichen Medizin weiß man: Wer gut kaut, entlastet seinen Körper, sein System, tut sich einfach leichter. Man zerlege dazu nur den Begriff „Mahlzeit“ in „Mahl“ und „Zeit“.

Zu schnell isst ein Mensch jedenfalls, wenn er regelmäßig eine normale Mahlzeit in weniger als einer Viertelstunde verputzt.

Das kann Folgen haben. Mittlerweile ist der Zusammenhang zwischen überhöhter Essgeschwindigkeit und Übergewicht bekannt – weil die Sättigungswahrnehmung verzögert einsetzt.

Das Gefühl von Sättigung setzt nämlich erst 15 bis 20 Minuten nach Beginn der Nahrungsaufnahme ein.

Da sind die „Schlinger“ schon längst wieder fertig und haben oft mehr gegessen, als sie eigentlich müssten. Außerdem entgeht Schnellessern sehr viel: allem voran das Schmecken und damit verbundener Genuss. Denn erst durch das Kauen und Einspeicheln können sich sämtliche Geschmacks- und Aromastoffe der aufgenommenen Nahrung entwickeln.

Bild: Nigel Tadyanehondo/Unsplash

Essen kann, im besten Fall, ein zutiefst sinnlicher Vorgang sein, bei dem man sieht, riecht, spürt, schmeckt, das Leben und seine Rhythmen fühlt. Man spricht dann von achtsamen Essen („Mindful Eating“), was schlicht bedeutet, mit allen Sinnen zu essen, ohne Ablenkung, in Ruhe, im Sitzen, nicht zwischen zwei „To do’s“. Einfach tun, was zu tun ist: essen, kauen, schlucken und wieder von vorne. Bis sich ein schön sattes Gefühl im Bauch einstellt und die Nahrungsaufnahme beendet werden kann.

Bleibt jetzt nur noch die Frage, wie das geht. Darüber habe ich mit der Genusstrainerin Beate Handler gesprochen.

Genusstrainerin Beate Handler über achtsames Essen

Sie bringen Menschen Genussfähigkeit bei. Was braucht man denn dafür an Grundvoraussetzung?
Grundvoraussetzung, um Genuss überhaupt als solchen wahrnehmen zu können, ist Achtsamkeit. Achtsamkeit bedeutet, unsere Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment zu lenken: Wir sind uns bewusst, dass wir etwas Bestimmtes tun. Das gilt für jeden Sinn, nicht nur für den Geschmackssinn.

Grundvoraussetzung, um Genuss überhaupt als solchen wahrnehmen zu können, ist Achtsamkeit.

Genusstrainerin Beate Handler

Was bedeutet es, sich Zeit fürs Essen und für Genuss zu nehmen? Wie lässt sich das im Alltag praktizieren?
Es bedeutet, zwischendurch Pausen einzulegen, sich zurückzulehnen und sich dem Geschmackserlebnis hinzugeben. Sich wirklich Zeit für den Genuss einer Speise nehmen, nicht noch etwas nebenbei machen (kein Handy, kein Reden, kein Multitasking). Die „To go“-Kultur sehe ich dabei als Genusskiller. Nehme ich mir für eine besondere Köstlichkeit oder zum Beispiel auch nur für ein Stück Butterbrot die Zeit, die nötig ist, um es in Ruhe und achtsam zu essen, dann bedeutet das Entschleunigung.

Ein paar Tipps oder Übungen wären schön …
Schaffen Sie sich Freiräume für bewussten Genuss, das muss gar nicht lange sein. Zum Beispiel beim Frühstück, wo sie kurz innehalten können, um die Wärme des Tees oder den Duft des Kaffees wahrzunehmen. Genießen geht nicht nebenbei.

Übung für bewusstes, geschmackszentriertes Wahrnehmen

Richten Sie sich ein Stück Schokolade her, setzen Sie sich entspannt hin, schließen Sie die Augen und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Körper, schließlich auf das Innere des Mundes und auf die Zunge. Führen Sie das Stück Schokolade knapp vor die Lippen und lassen Sie nun die Zungenspitze auf eine Reise gehen. Nehmen Sie den Geschmack wahr und spüren Sie die Geschmacksnuancen. Schließlich lassen Sie die Schokolade auf der Zunge zerschmelzen, dabei können Sie das Stück langsam zerdrücken oder zerkauen.

Beate Handler: Wichtig ist nur, dass man das alles sehr langsam macht – und schließlich dem süßen Geschmack nachspürt. So ein bewusstes Erleben des Moments und die damit verbundene „Entschleunigung“ tut übrigens nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern gut.