Wenn wir über Rückengesundheit sprechen, geht es besonders um die individuellen Bedürfnisse deines Körpers. Das weiß auch Giulia Tamiazzo, denn sie hat mit Yoga die perfekte Bewegungsweise für ihren schmerzenden Rücken gefunden.

Vom Bandscheibenvorfall zu Rückengesundheit

Giulia Tamiazzo und ihr Rücken haben eine schmerzvolle Vergangenheit. Anstatt sich nach zwei Bandscheibenvorfällen für eine Operation zu entscheiden, suchte sie nach einem achtsamen Weg zurück zu mehr Beweglichkeit. Mit Yoga, Physiotherapie und Geduld gelang es ihr Schritt für Schritt mehr Stabilität aufzubauen. Heute hat sie eine liebevolle Beziehung zu ihrem Rücken und kümmert sich täglich um seine Gesundheit.

Bandscheibenvorfall: Was helfen kann

Giulia sagt, das Wichtigste bei der Rückengesundheit ist es, den eigenen Körper ernst zu nehmen und einen einen individuellen Weg zu finden. Rückengesundheit braucht Zeit. Kleine, regelmäßige Übungen, ein liebevoller Umgang mit sich selbst und mit dem eigenen Körper, halfen ihr mehr als schnelle Lösungen. Im Interview erzählt sie von diesem Prozess und gibt Tips für Betroffene.

Giulia, du hast am eigenen Körper gespürt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema „Gesunder Rücken“ zu beschäftigen und auch eine lange Geschichte mit deinem Rücken hinter dir.

Ja, es ist tatsächlich eine sehr lange Geschichte. Mit dem Rücken habe ich eigentlich schon immer Beschwerden gehabt. Das hat bereits mit 18 Jahren angefangen, da habe ich mir am Anfang aber nichts dabei gedacht. Dann sagte ich mir „Ok, ich starte jetzt mal mit Yoga, weil das viele empfohlen haben.“ Wir kennen es alle: Am Anfang ist man natürlich super motiviert und ehrgeizig und probiert alles aus.

Dieser übertriebene Ehrgeiz hat es sogar noch verschlimmert. In dem Moment meint man „Die Haltung muss so und so aussehen, da muss ich hinkommen, das ist mein Ziel.“ Rückblickend weiß ich, dass das eben gar nicht möglich ist, weil alle Körper so unterschiedlich sind. Diese Belastung und das falsche Training waren so kontraproduktiv, dass es dann zu zwei Bandscheibenvorfällen gekommen ist.

Und der Hauptgrund für die Bandscheibenvorfälle war, neben der Vorbelastung, das falsche Training?

Nicht nur. Also ich muss betonen, dass das ein Zusammenkommen von vielen Dingen ist. Falsche Belastung, zu viel Sitzen, falsches Heben und das über mehrere Jahre verteilt – dann braucht man nur irgendetwas falsch machen und plötzlich kommt es.

Daraufhin lautete die Ansage, dass ich operiert werden muss. Ich habe mich dagegen gewehrt und gesagt, dass ich das ohne Operation wieder hinkriege. Mit der Hilfe einer sehr guten Physiotherapeutin, die mir damals auch Yoga empfohlen hat, haben wir ein Programm zusammengestellt, dass ich konsequent durchgezogen habe.

Dadurch konntest du dann deinen Rücken wieder heilen und musstest nicht operiert werden?

Genau! Und auf Basis dessen habe ich dann begonnen, eine Yogatherapie-Ausbildung zu machen, wo ich zusätzlich viel für mich mitgenommen und dazugelernt habe.

So war ich nach drei Monaten wieder schmerzfrei. Das alles mit Yoga, der richtigen Haltung und dem richtigen Bewusstsein, was mein Körper tatsächlich braucht.

Es geht also auch ganz stark einfach darum, dass man herausfindet, was für den eigenen Körper am besten ist. Legst du darauf auch in deinem eigenen Studio viel Wert?

Absolut! Yoga ist prinzipiell sehr vielseitig, auch was die Ziele angeht. Aber es gibt bestimmte Traditionen und bestimmte Haltungen, die für junge und super fitte Menschen, die kaum sitzen und keine Beschwerden haben, gemacht sind. Tatsächlich sind fast 80 bis 90 Prozent der Personen, die zu mir ins Studio kommen, nicht für jede Haltung geeignet.

Daher ist es mir auch wichtig, mit jedem Yogaanfänger zuerst in einer Einzelstunde mögliche Beschwerden abzuklären. Da gehen wir auch darauf ein, ob der Arzt etwas bei konkreten Problemen empfohlen hat, das wir einbauen können. Schmerzen beim Yoga und auch allen anderen Sportarten, sind ein absolutes No Go. Da geht es tatsächlich auch nicht nur um das Äußere, sondern vor allem darum, wie es sich anfühlt.

Das heißt, dass jeder eigentlich für sich selbst rausfinden sollte, was seinem Körper gut tut und wo er/sie besser aussetzen sollte. Gibt es dennoch ein paar Tipps, die du jedem mitgeben würdest, der etwas für seinen Körper und Rücken machen möchte?

Je nachdem. Grundsätzlich sage ich immer, dass Ehrgeiz im Yoga am falschen Ort ist. Es kann nicht jeder Körper jede Haltung ausführen. Ich kann selbst nach 20 Jahren Yoga gewisse Posen nicht.

Man sollte sich selbst hinterfragen: Warum will ich eigentlich irgendeine Haltung ausprobieren? Was ist meine Motivation dahinter? Und daraufhin mit mehr Gefühl an den Körper herangehen. Wir sollten mehr auf die Signale hören, die uns unser Körper sendet.

Und jetzt kurz zurück zum Thema Rücken: Gibt es da gewisse Dos und Dont’s, die du selbst gelernt hast und mittlerweile praktizierst?

Es sollte viel Aufmerksamkeit auf den unteren Rücken gelegt werden. Der ist nämlich sehr sensibel. Zum Beispiel beim Bücken sollten wir ganz vorsichtig sein. Wenn man gar nicht trainiert und nicht so viele Bauchmuskeln hat, dann liegt der ganze Druck auf den Bandscheiben. Also beim Bücken immer versuchen, sich gerade hinzustellen und in die Knie zu gehen und darauf achten, dass der Rumpf stabilisiert ist.

Besonders Mamas sollten gut auf ihren Rücken achten. Manchmal hat man keine Zeit und die Babys sind am Anfang noch leichter, werden dann aber schnell schwer und man muss sich wirklich Zeit nehmen, in die Knie gehen und das Kind aufheben. Ich kenne das ja selbst vom Mutter-Dasein, da ist auch die Muskulatur noch nicht ganz da. Da macht man einfach alles schnell, schnell und hat die Schmerzen dann im unteren Rücken.

Das Gleiche gilt auch beim oberen Rücken und den Halswirbelsäulen. Die sind mittlerweile ständig belastet. Allein dadurch, dass wir immer mit einer geneigtem Kopf aufs Handy schauen.

Und genau bei diesen Themen hilft dann auch Yoga oder? Dass wir unseren Rücken stärken und dehnen. Kann Yoga denn für den Rücken auch kontraproduktiv sein?

Wenn man tatsächliche Beschwerden hat und das nicht mit dem Arzt oder der Yogalehrerin vor Ort abgeklärt ist, kann das in die falsche Richtung gehen. Aber so ist das auch mit jeder Sportart. Egal, was man macht, das sollte immer mit den entsprechenden Personen abgeklärt sein.

Gehen wir mal zurück zu deiner Geschichte. Was waren für dich die wichtigsten Maßnahmen, mit denen du es geschafft hast, deine Bandscheiben doch nicht operieren zu müssen?

Die größte Maßnahme war das nicht Sitzen. Das heißt, ich sitze kaum mehr. Im Büro habe ich diesen großen Pezziball, der ist mein Stuhl für die Stability. Zusätzlich habe ich mein Yoga-Programm, das ich wirklich täglich mache. Da bin ich sehr konsequent.

Gibt es sonst noch irgendwelche Alltagshacks, die du uns gerne mitgeben würdest?

Abgesehen vom Stehen, würde ich noch Gleichgewichtshaltungen empfehlen. Zum Beispiel wenn ich mit der Straßenbahn fahre, versuche ich einfach zu balancieren. Das kann man auch sehr gut im Bus machen und dort, wenn man sich einfach nicht festhält, Stabilität aufbauen.

Handtaschen sind zum Beispiel auch so eine Sache, weil das sehr viel auf die Halswirbelsäule ausstrahlt, wenn man eine schwere Riesentasche trägt. Besser sind da Rucksäcke. Das sind diese Kleinigkeiten, die du einfach in den Alltag hineinbringen kannst.

Zur Person: Yogalehrerin Giulia Tamiazzo

Giulia Tamiazzo ist Yoga- und Meditationslehrerin sowie Inhaberin des Yogastudios RE:TREAT in Wien.

Vor zehn Jahren musste sie mit zwei Bandscheibenvorfällen in der Lendenwirbelsäule kämpfen. Ohne OP, aber mit wichtigen Veränderungen im Alltag sowie den richtigen Yogaübungen war sie nach wenigen Wochen schmerzfrei und ist es immer noch. Giulia hat sich daraufhin auf Yoga-Therapie spezialisiert und unterstützt in Einzel- sowie Gruppenstunden vor allem Yoga-Neulinge.