Auch, wenn es möglicherweise einen wunderschönen, romantischen Mythos zerstört: Es waren nicht die Beatles und ihre Musik, die einst reihenweise junge Mädchen umkippen ließen. Es war die sogenannte idiopathische Hypotonie, die häufigste Form des Blutniederdrucks, deren Ursache nicht feststellbar ist. Und die kommt am häufigsten bei jungen, schlanken Frauen vor, die in der Euphorie eines Konzertes von angehimmelten Idolen dann auch leichter einmal umkippen – vor allem, wenn vor lauter Mitsingen und schweißtreibenden Begeisterungstänzen die ausreichende Flüssigkeitszufuhr vernachlässigt wird.

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Aber, und da verkündet die Internistin und Kardiologin Dr.in Andrea Podczeck-Schweighofer die gute Nachricht zum Thema: „Man findet zwar die Ursache nicht und weiß auch nicht genau, warum vorwiegend junge Frauen betroffen sind – aber diese Form der Hypotonie ist in der Regel harmlos und nicht abklärungsbedürftig.“

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Immer noch sind Mediziner:innen uneins, wenn es um die Frage geht, ob Hypotonie als Krankheit zu klassifizieren ist. Unbestritten sind Symptome wie kalte Hände und Füße, Müdigkeit, Schwindel oder Übelkeit unangenehme Begleiter im täglichen Leben. Aber gefährlich ist ein zu niedriger Blutdruck (systolisch unter 100 bei Frauen, unter 110 bei Männern) per se nicht. Außer, und das ist die entscheidende Einschränkung, er tritt selbst nur als Symptom auf – als Hinweisgeber auf eine andere Erkrankung, die durchaus gefährlich bis lebensbedrohlich sein kann.

„Insbesondere bei älteren Menschen ab 50, 60 Jahren ist eine kardiologische Abklärung angebracht, wenn der Niederdruck symptomatisch über einen längeren Zeitpunkt auftritt“, sagt Dr.in Podczeck-Schweighofer. Da, sagt sie, gehört dann kontrolliert, ob das Herz gut pumpt, ob es Hinweise auf eine schlechte Durchblutung gibt, ob ein Herzklappenfehler oder eine Herzinsuffizienz vorliegt: „In höherem Alter kann ein zu niedriger Blutdruck auch auf die Aortenklappenstenose, die häufigste Herzklappenerkrankung, hinweisen. Die macht oft einen so niedrigen Blutdruck, dass den Leuten extrem schwindlig wird – bis hin zur Bewusstlosigkeit.“

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Neben Herzerkrankungen können auch akute Vorfälle Hypotonie hervorrufen, die von relativ harmlos bis lebensbedrohlich reichen. Ein banaler Brechdurchfall kann ebenso niedrigen Blutdruck bewirken wie eine Lungenembolie oder eine Blutung im Magen-Darm-Trakt.

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„Grundsätzlich ist ein Blutniederdruck nichts Dramatisches“, fasst Dr.in Podczeck-Schweighofer zusammen, „aber wenn er lange vorkommt, ist nachschauen nicht verboten, denn er könnte eben mit einer Herzerkrankung oder einem bedrohlichen Akutgeschehen verbunden sein.“

Univ-Prof.in Dr.in Andrea Podczeck-Schweighofer ist Internistin und Kardiologin in Wien, seit 2004 Primaria in der Kardioplogie am Kaiser-Franz-Josef-Spital und war von 2017 bis 2019 Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).