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Eigentlich lautete der Plan, in der Hängematte rumzuliegen und auf den Chao-Phraya-Fluss zu schauen. Ein bisschen nachdenken und Ruhe nach dem Abreisestress daheim. Das mit dem Fluss schien mir passend. Er ist immer in Bewegung, gleichzeitig hat es was Beruhigendes, auf sein Wasser zu schauen.

Außerdem, was sollte ich sonst im Shopping- und Nightlife-Mekka Bangkok tun? Einkaufen ging schon mal nicht, mein Koffer war mit 22,5 Kilo am Gewichtslimit, 23 sind laut Fluglinie erlaubt. Und wenn ich in zwei Tagen meinen Vipassana-Meditationskurs beginnen wollte, tat ich das besser mit ausgeruhtem Körper und Hirn.

Mein Hotel in Bangkok (Foto: Waltraud Hable)

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Vipassana ist Hardcore. Du lebst wie ein Mönch, stehst um vier Uhr früh auf und versuchst, elf Stunden am Tag schweigend im Schneidersitz zu überstehen – idealerweise, ohne dabei den Meditationslehrer zu ermorden.

Eine Stunde Hängematte ist genug

Die Hängematte auf der Terrasse meiner Unterkunft, eines kleinen, traditionellen Holzbungalows, war herrlich. Ich nutzte sie genau für eine Stunde. Dann spielte das Leben verrücktes Zufallskarussell. „Kann es sein, dass du in Bangkok bist?!“, ging eine Facebook-Nachricht auf mein Handy ein. Sie war von Gareth, einem jungen Mann, den ich auf meiner ersten Weltreise zufällig in Rio de Janeiro kennengelernt hatte. Er war damals mein Favela-Guide. Das mag nicht ungewöhnlich klingen, doch Gareth stammt aus Oberösterreich, meinem Heimatbundesland.

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Waltraud & Gareth (Foto: Waltraud Hable)

Ein Favela-Guide aus Rohrbach

Ein Favela-Guide aus dem Bezirk Rohrbach? Ich vermutete kurzfristig sogar, ein Team von „Versteckte Kamera“ führe mich hinters Licht. Jedenfalls: Wir blieben lose über Social Media in Kontakt. Und jetzt, wieder rund 9.000 Kilometer von zu Hause entfernt, diesmal nur in östlicher Richtung, sollten wir noch einmal aufeinandertreffen? Mit demselben Vorhaben? Gareth war nämlich anscheinend nicht auf Urlaub hier in Thailand, auch er war soeben in ein Abenteuer von unbestimmter Dauer ohne Rückflugticket gestartet. What the fuck?!

Was, wenn nichts Zufall ist? Was würde ich dann aus dieser Begegnung mitnehmen?

„Nichts ist Zufall“, sagte er wenig später, als wir uns im Lumphini-Park ungläubig grinsend gegenüberstanden. Und die Überzeugung, mit der er das kundtat, faszinierte mich. Gareth ist zwar erst 30, ein Jungspund für meine Begriffe, aber er ist vor allem ein Suchender, er liest so gut wie jeden philosophischen und spirituellen Schmöker, den er zwischen die Finger kriegt. Und während wir zwischen Obdachlosen und Waranen durch den Park spazierten, kam ich nicht umhin zu denken: Was, wenn er recht hat? Was, wenn nichts Zufall ist? Was würde ich dann aus dieser Begegnung, die man sich in Hollywood nicht besser hätte ausdenken können, mitnehmen?

Ich zwang mich, genauer hinzuhören, während Gareth in einem Affentempo sein Leben runterratterte. Und irgendwann – zwischen einer Erzählung vom Kitesurfen, Herzschmerz und einem lädierten Fuß – ließ er diesen Satz übers Loslassen fallen. Und ich wusste, der war für mich bestimmt. Obwohl er im Original eigentlich für Gareth war.

Steine sind zum Loslassen da

Eine Zufallsbegegnung am Strand hatte ihm vor Jahren mithilfe eines Steins zu demonstrieren versucht, was passiert, wenn man an Dingen festhält: Man hat die Hand nicht frei für Neues. Sobald du den Stein aber loslässt, kannst du nach allem greifen, was das Leben vor dir ausbreitet. „Ich verstehe“, murmelte ich. Und bekam eine Ahnung davon, was mich im Meditationskurs beschäftigt halten würde (außer vor Rückenschmerzen nicht wahnsinnig zu werden).

Manchmal sind 30-jährige Jungspunde besser als jede Hängematte.

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