In Partnerschaft mit

Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Vor allem als Hobby auf dem Tennisplatz als Paar. Das beginnt mit dem Punktestand fifteen- love (love steht für null Punkte; die Zählweise kommt von der Redewendung „to do something for love“, etwas umsonst tun) und endet mit Andre Agassi und Steffi Graf. Dazwischen: Euphorie, Wut, Schmerz, Aufre­gung, Erschöpfung und Glück. Mit den Bällen fliegen die Emotionen. Glühend heiße, wohltemperierte, unterkühlte. Sport und Gefühl sind untrennbar mitein­ander verbunden – zwei Liebende im besten Fall auch.

„Deshalb ist das Spielfeld auch ein so gutes Test­gelände für Paare, um ihr Miteinander zu erproben“, weiß Mag. Andrea Engleder, Psychologin mit Fokus auf Sport und Paare. „Hier können sie dem, was im Beziehungsalltag gerne umschifft wird, nämlich nicht entkommen: klaren Regeln.“ Einzige Voraussetzung dafür ist die Interaktion. „Schweigend Seite an Seite durch den Wald zu joggen kann sehr verbindend sein“, so Engleder. „Wenn zwei beim Auspowern aber ihre Beziehungsdynamik ausloten, nachschärfen oder gänz­lich neu definieren wollen, braucht’s den Austausch.“

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Zuerst sprechen, dann sporteln

Magdalena und Matthias, seit zehn Jahren Sparring­partner im Boxring des Lebens, wissen, was das heißt. Sie haben sich bewusst dazu entschieden, Sport zu ihrer Qualitytime zu machen. „Am Anfang unserer Bezie­hung haben wir vier Abende pro Woche getrennt ver­bracht. Magdalena auf der Tanzfläche, ich auf dem Fußballplatz. Wir wollten aber mehr Zeit als Paar ver­bringen – also war klar: Wir suchen etwas Gemeinsa­mes.“ Mit Umweg über den Ballroom, wohlgemerkt, denn Matthias gab sich mittelfristig alle Mühe, die Passion seiner Verlobten zu teilen. Fazit: „Es war nett. Großer Tanzbär ist aus mir aber keiner geworden.“

Alles richtig gemacht, findet die Psychologin. „Ei­nen Partner ins Boot zu holen, um mit ihm gemeinsam das zu machen, woran man alleine Freude hat, ist eine schöne Geste. Auch, wenn die Einladung in letzter Konsequenz ausgeschlagen wird.“ Überhaupt rät sie allen Paaren, die gemeinsam Sport machen wollen, zuerst konkret über Beweggründe und Ziele, körper­liche Voraussetzungen und zeitliche Verfügbarkeiten zu sprechen: „Stellen Sie sich vor, der eine möchte ein­fach nur fit bleiben, der andere plant, zwanzig Kilo wegzuschwitzen. Dem einen geht’s um Geselligkeit, der andere boxt schon gegen den Anfang vom Bezie­hungsende an. Das wird nicht funktionieren.“

„Wir wollen gewinnen“

Tennisspielerin

Bild: Konstantin Reyer

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Bei Magdalena und Matthias ist der eigene Ehrgeiz An­trieb und Reibefläche zugleich. Da sind sie sich nicht nur einig, sie fordern ihn sogar voneinander ein. Dabei ist Ehrgeiz ein zweischneidiges Schwert: Denn was den beiden heute Flügel wachsen lässt, war früher ihr Handicap – und das im doppelten Wortsinn. „Eigent­lich sollte Golf unser Sport werden“, erzählt Matthias. „Wir haben gemeinsam einen Kurs und die Platzreife gemacht.“ Und dann? „Ist uns irgendwann klar gewor­den, dass wir darin leider nicht so gut sind, wie wir es gerne wären.“ Das ist sechs Jahre her. Also versuchten sich die Mo­dedesignerin und der Projektmanager für Beschallungs­anlagen im Tennis. Beide hatten bereits Erfahrung, der Platz in Gehnähe zu ihrer Wohnung überzeugte schließlich. „Natürlich ist uns der Spaß ganz wichtig“, so Matthias. „Aber wir wollen auch besser werden. Wir brauchen den Wettkampf, die Herausforderung, das Ziel. Und das ist nun einmal, zu gewinnen.“

„Sport ersetzt keinen Therapeuten“

Ist der Wunsch nach dem Scheitern des anderen ein guter Motor, um sich als Einheit zu stärken? „Ja, warum nicht?“, fragt die Expertin. „Sich an jemandem zu messen und ihn besiegen zu wollen ist prinzipiell nichts Schlechtes. Das ist das Spiel. Das Schöne am Sport ist ja, über jemanden brillieren zu dürfen, ohne seine Person abwerten zu müssen. Die entscheidende Frage: Wie geht das Paar mit Sieg und Niederlage um? Kann es die Energie, die durch das Gegeneinander entsteht, für ein Miteinander nutzen?“ Ein guter Schwingungsdämpfer ist, wie so oft, Hu­mor. „Wenn der Partner zuerst große Ansagen macht und dann im Spiel strauchelt, bietet er eine Steilvorlage, ihn damit aufzuziehen“, so Engleder. „Gemeinsam an diese Momente zu denken und gemeinsam zu lachen kann die Streitkultur nachhaltig positiv beeinflussen.“

Unser Paar weiß, wie das geht. „Matthias ist viel be­herrschter als ich“, gibt Magdalena zu. „Wenn ich mich über Kleinigkeiten aufrege, kommt er mir immer mit dem gleichen Schmäh: Er nimmt es einfach nicht ernst. Dann zieht er mich auf, ich muss lachen, die Lage ent­spannt sich.“ Liebevoller Spott als gutes Ventil für schlechte Vibes – ja, aber: Haben zwei in keiner Lebenslage mehr etwas zu lachen, kann die Spielwiese schnell zur Blutwiese werden. „Sind beide sehr unzufrieden miteinander, werden sie es in einer Stresssituation erst recht sein“, warnt die Therapeutin. „Nagen mangelnder Respekt und Beleidigungen an den Grundfesten der Beziehung, stehen Schimpfen, Auslachen und Schuldzuweisungen an der Tagesordnung, wird sich das nicht wegwitzeln lassen. Der Druck, der Speed, das Adrenalin: Das alles wirkt wie ein Katalysator.“

Dann taugt Paarsport als Kitt bei echten Krisen also nicht? „Doch“, entgegnet die Psychologin. „Sport kann immer als Interventionsmethode dienen. Schließlich geht’s ja darum, miteinander etwas zu erleben und daran zu wachsen. Sport ersetzt aber keinen Therapeuten.“

Perfektionismus und Patzer

Dass der Tennisschläger des Öfteren zur Lupe mutiert und typische Beziehungsmuster enttarnt, ist Magda­lena durchaus bewusst. „Ich lasse mich sehr ungern be­lehren. Weder beim Sport noch sonst wo. Ich weiß, dass Matthias besser spielt als ich. Das macht ihn aber noch lange nicht zu meinem Trainer. Bekomme ich zu viele Tipps von ihm, nervt mich das sehr. Dann will ich ihm erst recht zeigen, dass die Kluft zwischen uns kleiner ist, als er denkt.“ Matthias bringt das Dilemma auf den Punkt: „Magdalena ist unglaublich perfektionistisch. Perfekt geht aber nicht immer, schon gar nicht auf dem Tennisplatz. Wenn ihr das klar wird, verstärkt das ih­ren Ärger über einen Patzer zusätzlich.“

Dann heißt es aufpassen, dass nach dem Ball nicht auch die Reaktion ins Out geht. „Natürlich darf der Ton beim Spiel rauer sein, die Emotion überkochen. Was auf dem Platz passiert, sollte aber auf dem Platz bleiben“, so die Paarpsychologin. Die zwei kriegen das hin, zumindest meistens. „Sind wir beide sehr unzu­frieden, dauert es nach dem Match schon seine Zeit, um wieder auf Normaltemperatur zu kommen. Wir brüllen uns dann aber nicht an, sondern reden einfach ein paar Minuten gar nicht miteinander.“

Und wie würde es Matthias verkraften, eines Tages gegen Magdalena kein Leiberl mehr zu haben? „Es schaut jetzt nicht so aus, als würde das in absehbarer Zukunft passieren“, lacht er. „Aber ganz ehrlich: Ich wünsche es mir sogar. Weil es unseren Kampfgeist an­stacheln würde und irgendwie ja auch hieße, dass ich als Coach (Ähem... Anm.) etwas richtig gemacht habe.“ Und Matthias fügt ergänzend hinzu: „Ich würde dann so viel trainieren, dass sich das ganz schnell wieder ändert.“

Kognitive ­Umstrukturierung

Tennispaar von hinten

Bild: Konstantin Reyer

Fortgeschrittenen (nicht nur in Hinsicht auf ihre Ball­fertigkeiten) rät Andrea Engleder übrigens zum Dop­pel. Die ultimative Feuerprobe für Paare, quasi. „Im Team werden die Stärken des Partners zu den eigenen – aber auch alle Schwächen. Das muss man aushalten können.“ Um das Feld minensicher zu machen, braucht’s laut Expertin vor allem eines: Kommunikation. „Nicht nur über Ziele und Wünsche sprechen, sondern auch über Rollen: Spielt einer deutlich besser, artikulieren Sie, dass er die Führung übernehmen darf. Auf dem Platz, zu Hause dann nicht mehr. Viele genießen es sogar, das Kommando zeitweilig an den Partner ab­zugeben. Problematisch wird’s nur, wenn das Ungleich­gewicht im Alltag bestehen bleibt.“

Außerdem hilfreich: die kognitive Umstrukturie­rung. Klingt kompliziert, bedeutet aber nichts anderes, als seine Gedanken noch einmal zu überprüfen. „Wir kennen das aus vielen Situationen, aber bleiben wir beim Tennis: Da kommt ein Ball direkt auf Ihre schwa­che Rückhand zu. Sie denken: ,Klar, dass er/sie sogar beim Aufwärmen absichtlich so spielt, dass ich nicht erwidern kann!‘ Sie fühlen sich abgewertet, was Sie kränkt. Aber: Was ist hier Realität und was zusammen­gereimt? Ist es nicht eher so, dass Sie der miese Ball an die Kränkung vom Vortag erinnert? Dass Ihr Partner gar nicht so präzise auf Ihre Schwachstelle zielen kann? Denn könnte er das, würde er im Kader spielen, nicht mit Ihnen. Eben.“ Die Methode hilft auch dabei, Ener­gie nicht verpuffen zu lassen, sondern sie zu verdop­peln. Ein Weg: „Verwandeln Sie den Rohrkrepierer in einen Schmetterball. Dann sind Sie kein Opfer, son­dern ein würdiger Gegner.“

Das will auch Magdalena sein: „Matthias soll richtig draufhauen, mir den Ball nicht nur rüberschupfen. Würde ich gewinnen, nur weil er auf Halbmast spielt, wäre ich sauer. Außerdem finde ich das sehr sexy, wenn er alles gibt.“

Glückshormone­kitzeln

Tennispaar am Tennisnetz

Bild: Konstantin Reyer

Sexy. Ein Wort, an dem wir nicht vorbeikommen, wenn wir vom Liebesspiel reden – und an durchtrainierte Waden, freigelegte Oberarme, Schweißperlen auf der Stirn und erhöhten Puls denken. Dass Bewegung ein guter Eisbrecher ist, um (mehr oder weniger) unver­fänglich miteinander ins Gespräch zu kommen, weiß jeder, der ein Fitnesscenter schon einmal von innen ge­sehen hat. Dass Bewegung Glückshormone freisetzt und das Glück größer wird, wenn man es teilt, ebenso. Bewegung hilft auch Paaren in langjährigen Beziehun­gen, ihre Erotik zu festigen oder neu zu beleben. Wie?

Sport macht attraktiv

„Wenn ich Sport mache, spüre ich mich besser. Durch dieses Körperempfinden weiß ich besser, was ich will und was nicht. Kommuniziere ich das meinem Partner, ist das dem Sexleben sehr zuträglich“, erklärt Andrea Engleder. „Außerdem ist jemand, der seinen Körper in Bewegung hält und ihn dabei auch zeigt, weniger ge­hemmt. Und das ist erfüllender, als reduziert zu sein.“ Natürlich gilt das auch, wenn der eine rudert und der andere in der Zwischenzeit Handball spielt. Viel schöner ist es aber, wenn man Sport gemeinsam macht.

Apropos schön: Augenscheinliche Auswirkungen des Sports mögen Magdalena und Matthias aneinander sehr – auch, wenn das nicht jedes Mal dazu führt, dass die körperliche Ertüchtigung im Schlafzimmer fort­gesetzt wird. Matthias: „Wenn sich Magdalena aus­powert, Körper und Geist fit und gesund hält, finde ich das wahnsinnig attraktiv. Ganz besonders, wenn sie dabei den Tennisrock trägt, den ich ihr geschenkt habe.“

Eine Liebe, die im Sand verläuft. Und sich dabei auch noch richtig gut anfühlt.