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Letztens habe ich eine Nachricht vom Freund und Liebsten, nein: eine sehr blöde Nachricht vom Freund und Liebsten erhalten. Hallo, geht’s noch? Der Blutdruck stieg, der Stresslevel war auf Top-Niveau, Madame Adrenalin pumpte Zorn durch die Venen: So nicht! Also ran an die Tastatur und wutentbrannt eine Antwort schreiben. Oder ist es doch an der Zeit, mehr Gelassenheit zu lernen?

Auf jeden Fall ist es ein Reiz-Reaktions-Muster, das wir alle gut kennen: Da ist was, also tu was (dagegen, dafür? Wurscht, Hauptsache tun!) und gib’s ihm. Diese Art von Aktionismus haben wir gelernt, so funktioniert das (angeblich). Weil wir „dazu geboren sind, unsere Welt und die Menschen darin kontrollieren zu wollen“, wie die Psychologin Brenda Shoshanna in ihrem Buch „Zen und die Kunst, sich zu verlieben“ schreibt. „Wir schreien, um Nahrung von unserer Mutter zu bekommen, wir lächeln, um Aufmerksamkeit zu empfangen, nach der wir uns sehnen, schmollen, wenn jemand uns ärgert, und wenn wir uns nicht wohlfühlen, ergehen wir uns in Tobsuchtsanfälle jeglicher Art.“

Manche Menschen sind wie tollwütige Hunde, die jedes Lüftchen anbellen.

Huang-Po, Zen-Meister
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Im Grunde sind wir alle der Überzeugung, dass das Leben unseren Wünschen zu entsprechen hat. Dafür tun wir alles. „Manche Menschen sind wie tollwütige Hunde, die jedes Lüftchen anbellen“, sagte Huang-Po, ein berühmter Zen-Meister. Der Geist kommt nicht zur Ruhe, hüpft wie ein wild gewordener Affe herum. Der Körper ist bereit, loszurennen, um an der Welt und den „anderen“ so lange zu drehen, bis sie sich so verhalten, wie wir es gerne hätten. Wut überschwemmt uns mit negativen Energien. Ein ganzer Chor innerer Stimmen verhindert, dass wir uns zurücklehnen, um Dinge sein zu lassen und zuzuwarten.

Gelassenheit lernen mit „Durchatmen“

Was jetzt? Zeit für ein Geschenk an uns selbst. Um zu tun, was wir nicht gewohnt sind: nichts. Gar nichts. Rien. Niente. Nothing. Stattdessen stillhalten. Nichts tun. Atmen. Die Gedanken und Emotionen kommen und gehen lassen, wie Meereswellen, wie die Jahreszeiten. Ein Lied pfeifen. Den Wolken beim Ziehen zuschauen. Löcher in die Luft starren. Augen zumachen. Daumen drehen. An Blumen riechen. Alles, nur keine „Mach mal“-Dynamik aufkommen lassen. Sich also keinesfalls reflexartig hinsetzen, um seinen Standpunkt mit Verve, Leidenschaft und ziemlich viel Adrenalin zwischen den Zeilen in ein Mail oder WhatsApp packen. Stattdessen noch tiefer atmen und den Stimmenchor im Kopf leise sagen hören: Über allen Gipfeln ist Ruh.

Abwarten und Tee trinken

„Hast du die Geduld zu warten, bis sich der Schlamm setzt?“, lautet eine Weisheit aus dem Zen. Die ist, wie es Weisheiten so an sich haben, gar nicht blöd. Nicht sofort! Jetzt! In der Sekunde! zu handeln ist oft das Klügste, was wir tun können. Weil es jenen Zwischenraum schafft, in dem sich der Ärger legen, der emotionale Strudel sich entstrudeln und die Verwirrung entwirren kann.

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Nicht zu handeln (oder niksen, wie es die Niederländer nennen) bedeutet, dass wir, vielleicht einen Tag oder zumindest ein paar Momente später, angemessener handeln. Fokussierter, distanzierter, klarer, im besten Fall sogar weiser. Je mehr Gelassenheit wir lernen, umso mehr bekommen wir jenen Abstand, den wir brauchen, um am nächsten Morgen aufzuwachen und zu lächeln: Hallo? Worüber habe ich mich da eigentlich so geärgert? Was war da los?

Und während die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, fühlt sich das Leben leichter an, als es gestern noch war. Indem wir nicht reagieren, hören wir auf, Dinge und Situationen zu befeuern. Geben der Zeit eine Chance, für uns zu arbeiten. Das ist vor allem in Beziehungen wichtig, aber auch im Arbeitsalltag. Oder in den sozialen Medien. Einfach einmal nicht in die Tasten klopfen, keine Meinung ins Netz fetzen und recht haben wollen.

Wir sind nur da, halten inne, setzen dem Mach-was-Imperativ und der reflexiven Gegenbewegung eine Nicht-Bewegung entgegen. Wenn wir es schaffen, Gelassenheit zu lernen, lösen sich kleine Ärgernisse von selbst auf. Brenda Shoshanna beschreibt das so: „Wir geben ihnen Raum, zu kommen und zu gehen. Wir fachen die Flammen nicht durch Reagieren an. Wir verwandeln einen Sommerregen nicht in ein heftiges Unwetter, das eine ganze Beziehung zerreißen kann.“

Wir verwandeln einen Sommerregen nicht in ein heftiges Unwetter, das eine ganze Beziehung zerreißen kann.

Brenda Shoshanna, Psychologing und Autorin

So geht die Teemeditation

Und wenn’s heißt „abwarten und Tee trinken“ oder „darüber eine Nacht schlafen“, dann mag das lapidar klingen und irgendwie „jo eh“. Aber daran ist mehr, als wir im Moment vielleicht erahnen können. Wie viel in unserem Kopf passiert, während wir nachts angeblich „nichts“ tun, ist aus der Schlafforschung bekannt: Das Gehirn reorganisiert sich im vermeintlichen „Leerlauf“-Modus, verarbeitet das Erlebte, ordnet ein. Auf diese Weise kann es „über Nacht“ zu völlig neuen Sichtweisen kommen. Oder aber man widmet sich tatsächlich einer Tasse Tee (zum Beispiel aus der carpe diem-Emaille-Tasse) – und wartet ab.

Eine „Teemeditation“ kann einem dabei ganz gut Gelassenheit lernen. Denn sie beginnt bereits mit dem Zubereiten des Tees, mit der gesamten Aufmerksamkeit und allen Sinnen. Dann wird abgewartet: Indem man am Tee schnuppert, seine Wärme fühlt, ihn kostet, seinen Geschmack erkundet und tut, was gerade zu tun ist: Tee trinken. Und sonst gar nix.