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Sieht man sich die Studienlage zum Thema Frühstück an, dann zeigt sich: Die Wissenschaft scheint sich uneins darüber zu sein, was seine Wichtigkeit betrifft. Wie sehen Sie als Ernährungswissenschaftlerin das?
Dr. Claudia Nichterl: „Das Problem mit den Studien ist: Sie berücksichtigen alle nicht, dass ein Frühstück typgerecht sein sollte, um Vorteile zu bieten. Isst man das ‚falsche‘ Frühstück, kann etwa Heißhunger ausgelöst werden. Ich selbst bin ein Fan des Frühstückens, würde aber niemanden dazu zwingen.

Wenn man sich ohne Frühstück vital fühlt: Warum etwas ändern? Aber wenn ich schlecht schlafe oder energielos bin, und die Hauptmahlzeit findet abends statt, während das Frühstück ausgelassen wird, dann lohnt es sich, das umzudrehen. Oft sind enorme Verbesserungen zu beobachten.“

Ich selbst bin ein Fan des Frühstückens, würde aber niemanden dazu zwingen.

Dr. Claudia Nichterl, Ernährungswissenschaftlerin
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Sie haben „typgerechtes“ Frühstück erwähnt. Was bedeutet das?
„Dass das Frühstück meinem Stoffwechsel entsprechen soll. Dabei teilt man in drei Kategorien ein: in Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Mischtypen.“

Das heißt, wenn ich ein Kohlenhydrattyp bin, dann ...
„... hält mich beispielsweise ein Haferbrei mit Äpfeln vier bis sechs Stunden wunderbar satt. Meine Blutzuckerwerte bleiben stabil. Stellt sich hingegen nach einer Stunde bereits wieder Hunger ein, ist das ein Indiz: Es war das falsche Frühstück.“

Und wie weiß ich, welcher Typ ich bin?
„Ich beginne immer mit der Frage: ‚Was frühstücken Sie am Wochenende bzw. im Urlaub?‘ Und höre dann zum Beispiel: ‚Na ja, im Urlaub frühstücke ich zwei Eier, dazu etwas Schinken und Käse – und danach brauche ich viele Stunden nichts.‘ Das liefert Hinweise darauf, dass dieser Mensch wahrscheinlich ein Eiweißtyp ist.“

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Eiweißtypen brauchen immer Eierspeise?
„Nein, man darf ruhig den Mut haben, ‚anders‘ zu essen. Ich selbst frühstücke teilweise Chili con Carne – und mein Erweckungserlebnis diesbezüglich war in Mexiko, wo schon morgens Bohnenpüree oder Steak mit Tomatensoße auf den Tisch kommen. Dort habe ich gemerkt, dass mir eiweißreiche Frühstücke guttun – sie bringen mir Sättigung, und ich brauche dann weniger Brotmahlzeiten ...

Aber auch wenn Leute ihren Typus kennen, passiert es oft, dass sie aus Gewohnheit widersprüchlich essen. Frauen, die sich zum Beispiel für Ayurveda oder Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) interessieren, frühstücken dann warme Breie, also reine Kohlenhydrate, obwohl sie eigentlich Eiweiß- oder Mischtypen wären. Dabei kann man mit einem typgerechten Frühstück viel verändern: Man ist weniger gereizt, länger leistungsfähig, man muss sich nicht um Zwischenmahlzeiten kümmern.“

Was tun, wenn Kinder das Frühstück verweigern? Gerade für sie soll es ja so wichtig sein.
„Studien zeigen, dass Kinder besser mit Frühstück lernen. Das Hauptproblem sehe ich im frühen Schulbeginn, der nachweislich nicht gesund ist. Die Kinder werden um sechs Uhr aus dem Bett gerissen und sollen um halb sieben Uhr frühstücken. Da sollte man ihnen auch keinen Stress machen – es reicht auch die Schuljause um acht Uhr. Aber das Wichtigste ist: Welche Frühstückskultur gibt es daheim? Ein Kind wird nicht lernen zu frühstücken, wenn die Eltern nur einen Espresso im Stehen trinken.“

Ein Kind wird nicht lernen zu frühstücken, wenn die Eltern nur einen Espresso im Stehen trinken.

Dr. Claudia Nichterl, Ernährungswissenschaftlerin

Also Frühstück vorleben?
„Ja, und dabei darf man ruhig experimentierfreudig sein. Kinder mögen meiner Erfahrung nach gern Gemüsesuppen, die mit Grieß gebunden werden. Ebenso gut vorbereiten kann man auch Waffelteig, Overnight Oats oder Aufläufe aus Hirse oder Quinoa.

In Letztere gibt man Obststückchen hinein, Gewürze, dazu ein Ei, Topfen und geriebene Nüsse – fertig. Und in der Früh schneidet man dann einfach ein Stück runter. Was viele vergessen: Frühstück fördert nicht nur unser Wohlbefinden, es ist auch kostengünstig. Eine Eierspeise mit Gemüse kommt vielleicht auf 1,50 Euro. Sie ist also wesentlich billiger als das Weckerl und der Kaffee, den ich unterwegs kaufe.“

Sollte ich morgens Sport machen wollen: vor dem Frühstück oder nachher?
„Idealerweise sportelt man vorher. Sport in der Früh ist sehr gut, um Cortisol – das Stresshormon beginnt ab zirka vier Uhr früh langsam anzusteigen – wieder etwas runterzubringen.“

Und wenn Sport auf leeren Magen nicht geht?
„Dann kann man vorher ein paar Nüsse essen. Auch Wasser mit Honig liefert Energie.“

Apropos Flüssigkeit: Oftmals wird empfohlen, nach dem Aufstehen warmes Wasser mit Zitrone zu trinken. Was ist da dran?
„Es geht vor allem ums Wasser. Die Zitrone muss aus meiner Sicht nicht sein, vor allem dann nicht, wenn man zu Sodbrennen und Aufstoßen neigt. Nach dem Aufstehen zu trinken ist wichtig, weil wir über Nacht dehydrieren, und warmes Wasser wirkt entlastend, der Körper muss es nicht aufwärmen. Außerdem kann man sich den Stoffwechsel wie eine riesige Chemiefabrik vorstellen, und das Medium, das diese chemischen Prozesse stattfinden lässt, ist nun mal Wasser. Insofern liefert das Ganze einen super Start in den Tag.“

Dr. Claudia Nichterl ist Ernährungswissenschaftlerin in Wien und Gründerin der „Akademie für integrative Ernährung“, die moderne Ernährungsberatung mit Erkenntnissen aus TCM, Medizin und Psychologie ergänzt. Nichterl hat über 30 Fachbücher geschrieben, u. a. „Powerfrühstück – Energie für den ganzen Tag“. Wer kostenlos seinen Stoffwechseltyp eruieren will, kann das hier tun: integrative-ernaehrung.com/onlinetraining