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In materiellen Dingen war ich noch nie ein guter Besitzender. Edles Leder für die früher flinken Füße, feines Tuch für den weiland wohlgeformten Leib? Fehlanzeige. Jüngst lockte die Lotterie wieder einmal mit aberwitzig vielen Euro-Millionen, und kurz drehte ich mich im Gedankenkarussell um die Frage, was ich im Falle des Gewinns damit tun würde.

Außer der Tilgung diverser Verbindlichkeiten und der Anschaffung eines Fahrzeugs, das vom Zustand seiner Bestandteile meinem Körper etwas weniger ähnelt, fiel mir kaum etwas ein. Aber nicht nichts. Denn noch am Tag der Auszahlung hätte ich in meine Heimatstadt Graz fahren und in der Sporgasse in diesem einen Geschäft, das ich schon unzählige Male „nur zum Schauen“ durchmessen habe, hemmungslos Füllfedern kaufen wollen.

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So viele, dass ich in materiellen Dingen auf einen Schlag ein ziemlich guter Besitzender geworden wäre. Denn da liegen ja Schmuckstücke, frage nicht. Und da kosten manche ein Geld, frage erst recht nicht. Nun hätte ich mir an dieser Stelle selbst in die Gedanken grätschen und einwenden müssen, dass die Zahl meiner Brieffreunde exakt der meiner Lotto-Hauptgewinne entspricht und dass ich auch keine romantisch-verträumten Anwandlungen von ultimativer Zweisamkeit in kunstvoll geschwungenen Buchstaben mehr auf Büttenpapier male.

Man kann getrost sagen, dass ich einen Vogel habe, was Füllfedern betrifft. Ich nenne es Lebensgefühl.

Aber, und deshalb lasse ich diese Gedankengrätsche nicht zu: Das liegt nicht an den Füllfedern! Die waren stets meine treuen Gefährtinnen bei solch heiligen Akten.

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Die bildschöne Diva, durch die ich rote Tinte fließen ließ, wenn ich nur noch aus flammender Sehnsucht bestand und Worte auswarf, auf dass Erfüllung anbeißen möge. Die dezente Grande Dame, die in edlem Violett für diplomatische Missionen zuständig war, um Eskalationen zu verhindern.

Und schließlich die unscheinbare Lebensfreundin, die wie ein Trost in der Hand lag, wenn sich Tränen – wie beim großen H. C. Artmann –„med ana schwoazzn dintn“ vermischten. Man kann getrost sagen, dass ich einen Vogel habe, was Füllfedern betrifft. Ich nenne es Lebensgefühl. Den Unterschied zwischen Gebrauchsgegenstand und Lebensbegleiter.

Ich habe auch schon mit Kugelschreibern geschrieben. Aber das war dann halt so, dass ich einen Stift geführt habe. Hören Sie, wie grauslich das schon klingt? Einen Stift geführt. Eine Füllfeder entführt mich. In eine Welt, in der sich Zeit auflöst, in der Gedanken in Ruhe reifen können und so sanft, beinahe zärtlich aufs Papier fließen wie die Tinte, die sie transportiert.

Und in dieser Welt braucht es keinen Lottogewinn und keinen Kaufrausch. Nur ein wenig Muße, eine Feder und Tinte in der richtigen Farbe.

Wolfgang Maria Gran ist Journalist, Autor und Songwriter. Er schreibt seine Gedanken stets mit einer seiner 23 Füllfedern nieder.