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Am 15ten? Nein, sorry! Leider bin ich da gerade auf einem Seminar und danach muss ich abgeben. Wann kommst du aus dem Urlaub zurück? Ah, eh erst am 20ten. Blöd, genau an dem Tag fahre ich wieder weg. Gut, wie wäre es mit dem 26ten? Geht nicht wegen deiner Klausur? Firmenfeier? Sponsion? Scheidung? Dann müssen wir uns nach Weihnachten treffen …

Kein Leibesfrucht-Syndrom mehr

Ich gebe zu: Sich mit mir einen Termin oder gar eine private Verabredung auszumachen ist nicht einfach. Ganz unschuldig bin ich nicht an der Misere. Aber der alleinig Schuldige eben auch nicht. Jeder, wirklich jeder in meinem Umfeld – und zwar ganz unabhängig von der Anzahl der Leibesfrüchte – scheint wahnsinnig viel zu tun zu haben. Beruflich wie privat.

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Bild: Sydney Rae/Unsplash

Ich gebe zu Sich mit mir einen Termin oder gar eine private Verabredung auszumachen ist nicht einfach.

Warum ich das mit dem Familienstand so betone? Früher, jedenfalls schien es mir so, war das absolut Ausgebucht- und Ausgelastet-Sein – die totale Verhinderung quasi – den jungen Müttern vorbehalten. Die tauchten nach der Niederkunft für ein bis zwei Jahre ab und dann mit einem Kleinkind an der Hand und Ringen unter den Augen wieder auf.

Paar mit Kind

Bild: Dan Burton/Unsplash

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Früher war die totale Verhinderung jungen Müttern vorbehalten. Heute ist jeder verhindert.

Heute ist jeder verhindert; selbst wenn er nicht mal einen Goldhamster in Pflege hat. Heute hat jeder Verpflichtungen. Termine. Verabredungen. Nebst Abgaben, Präsentationen, Deadlines und Networking-Dates auch solche, die Körper und Geist beflügeln sollen: Yoga am Mittwoch, Fitnessboxen am Donnerstag, Meditation am Montag. Am Sonntag die Mutter besuchen.

Mir etwa bleiben für Freunde und Freundinnen also genau drei Abende – und die will ich immer öfter alleine verbringen. Oder zumindest: zuhause.

Wer sich nicht zeigt, gerät in Vergessenheit

Statt meine freien Abende alleine oder zumindest zuhause zu verbringen, sollte ich gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen.

Aber leider: geht nicht! Eben an diesen „freien“ Abenden sollte ich doch bitteschön den gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen – das Event eines Geschäftspartners besuchen, die Vernissage einer Bekannten, die Buchpräsentation einer Ex-Kollegin. Immerhin, im Leben heißt es ja Geben und Nehmen – und das gilt auch für die Zeit. Wer sich nicht zeigt, gerät in Vergessenheit. Quid pro quo.

So balanciert man dahin auf dem dünnen Drahtseil – gewoben aus Verpflichtung, Loyalität und penibel akkordierter Freizeitgestaltung. Was meistens klappt, außer das Unvorhergesehene tritt ein: aus dem Gebiss empfiehlt sich eine Krone, aus dem Getriebe eine Schraube oder aus der Katze über die Maßen viel Erbrochenes. Dann gerät das fragile Zeitmanagement-Gebilde ins Wanken.

So balanciert man dahin auf dem dünnen Drahtseil – gewoben aus Verpflichtung, Loyalität und penibel akkordierter Freizeitgestaltung.

Unsere Energie

Und leider, leider steht jedem Menschen nur eine begrenzte Menge Energie zur Verfügung – also jene Aufmerksamkeit, die Interaktion statt bloßer Anwesenheit ermöglicht. Diese Energie ist unser wertvollstes Lebenselixier. Sie erlaubt uns, unser Bestes zu geben und uns dabei wohl, stabil und gesund zu fühlen. Nur mit ihr können wir uns einer Sache oder einem Menschen wirklich widmen. Und ganz ehrlich: In meiner spärlichen Freizeit habe ich keine Lust auf Halb-Zärtlichkeiten. Ich will alles – oder nichts. Mir reicht der schnelle Kaffee zum Tratschen nicht. Und auch nicht das Fest, von dem ich um 21 Uhr wieder abdampfen muss.

Bild: Joshua Ness/Unsplash

In meiner spärlichen Freizeit habe ich keine Lust auf Halb-Zärtlichkeiten. Ich will alles – oder nichts.

Um mir selbst treu zu bleiben, leistungsfähig und gesund, habe ich statt einem „Zehn-Gebote-“ einen „Zehn-Erlaubnisse-Plan“ erstellt. Nicht dass ich es etwa schaffen würde, mich daran zu halten. Aber es tut immer wieder gut, ihn niederzuschreiben:

Mein Zehn-Erlaubnisse-Plan

  1. Ich erlaube mir, Verabredungen abzusagen.
  2. Ich gehe nur ans Telefon, wenn ich mich dem Gespräch voll und ganz widmen kann.
  3. Ich erlaube mir, Termine zu verschieben.
  4. Ich erlaube mir, Menschen, die sich auf mich gefreut haben, zu enttäuschen. (Selten!)
  5. Ich erlaube mir, keine Erklärung abzugeben, warum ich nicht kann. (Manchmal!)
  6. Ich erlaube mir, beim Absagen zu lügen. (Im Ausnahmefall!)
  7. Ich erlaube mir, beim Absagen die Wahrheit zusagen.
  8. Ich erlaube mir, zuzugeben, dass mir manchmal die Kraft für ein Treffen fehlt. (Klingt zwar etwas überdramatisch, aber fast jeder versteht es.)
  9. Ich erlaube mir Zeiten ohne persönliche soziale Interaktion.
  10. Ich erlaube mir, nichts zu machen.