In Partnerschaft mit

Melanie Pignitter verrät uns in ihrem Buch „Honigperlen“, wie man in schweren Zeiten den Weg zu sich selbst findet und was das alles mit Selbstliebe zu tun hat.

Das Leben ist süßer, als man denkt, lautet der Untertitel deines Buches „Honigperlen“. Woher weißt du das?
Melanie Pignitter: „Ich bin davon über­ zeugt, weil wir alle immer wieder Honig­perlen vor die Füße gestreut bekommen. Wir müssen sie nur als solche erkennen.“

Was sind Honigperlen?
„Geschenke des Lebens, die ausschauen wie Malheure. Also alle Arten von Kri­sen, Stolpersteinen, Selbstzweifeln, Sack­gassen, Dramen, Schicksalsschlägen.“

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Aber wenn eine Beziehung scheitert oder man krank wird, ist das doch eine Krise. Das schaut nicht nur so aus ...
„Schon. Aber es liegt an uns, diese klei­nen und großen Dramen auszupacken, freizulegen, zu erfragen oder zu erfühlen, welche Botschaft oder Erkenntnis sie uns bescheren. Meine schönste Honigperle war mein bestialischer Kopfschmerz, der mich mehr als 600 Tage gequält hat.“

Okay. Aber was kann daran schön sein?
„Derselbe Schmerz hat mich am Ende von all dem Müll befreit, den ich über die Jah­re angehäuft hatte, der meine Seele schon vor dem Kopfschmerz belastet hatte. Er ist gekommen, um mir zu zeigen, wer ich wirklich sein will – privat wie beruf­lich. Heute lebe ich anders als vor meiner Krankheit: besser, liebevoller, verrückter, achtsamer, frecher und selbstbewusster.“

Gut, der Schmerz ist also weg. Aber hast du keine Angst, dass er wiederkommt?
„Die Angst bleibt, aber ich kann mit ihr umgehen.“

Und wie kriegst du sie in den Griff?
„Ich spreche mit ihr. Ja, wirklich! Das ist eine Technik aus dem Mentaltraining. Ich picke mir die negativsten Gedanken raus, die mir durch den Kopf schwirren. Etwa: ‚Wenn der Schmerz kommt, bleibt er für immer‘, oder: ‚Ich kann nie wie­ der Calamari essen und Aperol-Spritz trinken.‘ Angst ist für mich ein Gefühl der Gefangenschaft, weil ich nicht ma­chen kann, was ich machen will. Nach dem Motto ‚Alles wird mir genommen‘. Dann frage ich konkret: ‚Kann ich hun­dertprozentig davon ausgehen, dass es so sein wird?‘ Und muss zugeben: Nein, denn bisher ist der Schmerz jedes Mal weggegangen. Er ist nur ein Warnschuss. Das löst diesen absolut unwahren Ge­danken auf, dass das jetzt für immer so sein wird. Der nächste Schritt sind dann Umkehrsätze wie: ‚Der Schmerz hilft mir, mein Leben zu genießen‘.Das könnte wahr sein, weil ich genau das ja erlebt habe.

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Das klingt logisch, was die Angst betrifft. Aber Schmerz verschwindet doch nicht, nur weil man ihn in Gedanken fortjagt. Ich denke da an 600 Tage Kopfweh.
„Nicht fortjagen. Ihn akzeptieren und mit­hilfe der eigenen mentalen Kräfte lindern. Das ist mir gelungen, mir haben ja weder Schul- noch Alternativmediziner helfen können. Dazu muss ich aber sagen: Ich habe mein Kopfweh nicht bekommen, weil ich ein paar Wochen etwas getan habe, was mir nicht guttut. Es war eine Kette von Dingen – und es hat Monate, vielleicht sogar Jahre gedauert, bis der Schmerz da war. Jetzt kann man nicht hergehen, drei Tage Mentaltraining machen und glauben, dass es dann gut ist. Da braucht man Geduld.“

Na gut. Aber wie lange dauert es, bis sich da überhaupt eine Wirkung zeigen kann?
„Mindestens dreißig Tage. Ich muss zuerst ein ganzes Fass mit guten Gedanken vollmachen, damit es zu einer positiven Reaktion und Selbstliebe kommen kann.“

Kann das jeder?
„Ja, denn jeder kann denken. Und jeder kann einen schlechten Gedanken gezielt ins Positive lenken. Von den 60.000 Gedanken, die wir täglich haben, sind die meisten unbewusst. Die machen aber trotzdem etwas mit uns.“

Jeder hat die Macht, böse Gedanken zu verscheuchen.

Melanie Pignitter, Autorin

Wie lenke ich negative Gedanken, wenn ich mir ihrer gar nicht bewusst bin?
„Sie sind leicht zu enttarnen. Jede Sorge über etwas, was in der Zukunft liegt, ist ein negativer Gedanke. Was tun wir da? Wir malen uns ein Horrorszenario aus, das noch gar nicht eingetroffen ist. Wir husten und denken: ‚Oh nein, jetzt werde ich im Urlaub krank.‘ Denken wir doch lieber: ‚Boah, mein Urlaub wird toll, und mir wird’s großartig gehen.‘ Wenn wir krank werden, werden wir es ohnehin – aber so vermiesen wir uns auch noch die Zeit davor. Jeder hat die Macht, böse Gedanken zu verscheuchen. Nicht immer und in jeder Sekunde. Aber: Je öfter man den Switch weg vom sinnlos Negativen macht, desto mehr kommen wir in Übung. Mentaltraining ist wissenschaftlich auf vielen Ebenen anerkannt.“

Soll das jetzt heißen, dass negative Gedanken immer sinnlos sind?
„Nein! Man muss ihnen Platz geben und sie rauslassen – Gedanken sind Energie. Und Energie verschwindet nicht, sie kann sich nur verwandeln.“

Bei Zukunftsszenarien verstehe ich, wie das funktioniert. Aber wenn etwas schon da und offensichtlich schlecht ist, kann ich’s mir doch nicht einfach „gutdenken“?
„Da muss man einen Schritt vorher ansetzen. Es ist ja oft nicht der Umstand selbst, der dich traurig oder wütend macht, sondern deine Gedanken dazu. Sie stiften den Unfrieden, nicht die Tatsachen. Deshalb reagieren ja auch Menschen, die in einer exakt gleichen Situation sind, oft völlig unterschiedlich.“

Nehmen wir als Beispiel eine unschöne Trennung. Wie gelingt es, negative Gedanken darüber zu ändern respektive zu lenken?
„Indem man versucht, sie auf die Fülle der anderen Dinge zu richten, die im Moment sehr gut laufen. Diese Fülle ist der Beweis dafür, dass dein Leben keine Katastrophe ist, sondern du nur auf die Katastrophe fokussierst. Wenn du das, kombiniert mit anderen Methoden, in einer Krisensituation bewusst dreißig Tage lang machst, wird sich dein Leben nicht ändern – aber du wirst dich ändern. Du beginnst, mehr in Lösungen zu denken. Das lässt sich bewusst trainieren. Die neurologischen Autobahnen, also die Straßen der positiven Gedanken, manifestieren sich dann so, dass du bald auch unbewusst öfter die Fülle als die Leere siehst. Und das macht zufriedener.“

Gut. Aber können wir auch eine Ab­kürzung nehmen und die Seele gleich so konditionieren, dass sie Probleme gar nicht als solche wahrnimmt?
„Das empfehle ich nicht, denn dann wäre uns ja alles wurscht. Wenn mich die schlechten Dinge nicht berühren, hätte ich umgekehrt bei den guten auch keine Emotionen mehr. Das Problem darf ja da sein – die Frage ist nur: Was hinterlässt es mir? Der erste und wichtigste Schritt ist Akzeptanz. Denn das Nicht-Akzeptieren macht es so viel schlimmer! Man kämpft dann gegen die Wahrheit, das ist extrem anstrengend.“

Hast du auch gegen die Wahrheit angekämpft?
„Und wie. Ich habe mir lange gedacht: ‚Das darf doch nicht sein, dass ich so leide und keiner mir helfen kann.‘ Das ist eine ständige Disbalance zwischen Seele und Körper. Wenn du jetzt aber etwa bei einer Trennung sagst: ‚Der Mensch hat mich verlassen, und ich bin todtraurig‘, bist du immer noch todtraurig – aber der emotionale Druck ist weg. Das Wichtigste ist, anzunehmen, was ist. Ich habe getrickst: Ich habe akzeptiert, wie es jetzt ist, aber mir bewusst gesagt, dass es morgen ganz anders sein kann. ‚Okay, du grausamer Kopfschmerz. Du bist da. Ich kann heute nichts gegen dich tun. Aber vielleicht bist du morgen nicht mehr da.‘ Das ist ein positiver Glaubenssatz, den ich mir jeden Tag nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen gesagt habe. Da hat das Gehirn einen besseren Kontakt zum Unterbewusstsein. Irgendwann habe ich begonnen, ihn für wahr zu halten.

Ist er deshalb wahr geworden?
„Nicht nur deshalb. Ich habe zahlreiche Werkzeuge des Mentaltrainings benutzt: Affirmationen, progressive Muskelentspannung, Fantasiereisen, Meditationen, Visualisierungen. Zum Beispiel habe ich mir in der Zeit, in der ich nicht einmal vor die Türe gehen konnte, vorgestellt, barfuß über meinen Lieblingsstrand in Spanien zu laufen – zum Leuchtturm und zurück. Manchmal habe ich den Sand und den Wind wirklich auf der Haut gespürt. Diese Glücksgefühle allein bewirken etwas. Man sagt seinem Unterbewusstsein damit ja nichts anderes als: ‚Schau her, ich kann das echt, ich habe es ja gerade so erlebt.‘“

Wie lange hast du das gemacht?
„Von 500 Tagen nur an einem einzigen nicht. Ein Kniff ist auch, das, was du dir vorstellst, in der Zukunft anzusiedeln. Dann glaubst du dir nämlich selbst mehr.

Warum?
„Weil Zeit zwischen jetzt und dann liegt und sich Dinge mit der Zeit ja wirklich ändern.“

Welche inneren Quälgeister bist du kraft der Gedanken noch losgeworden?
„Viele. Meine Sicht der Dinge ist an so vielen Ecken und Enden anders. Früher habe ich vieles unbewusst kritisch und negativ gesehen und mich total stressen lassen, auch in der Partnerschaft. Ich habe geglaubt: ‚Wenn mich mein Partner liebt, muss er es so oder so machen. Sonst liebt er mich nicht.‘ Das stimmt aber nicht: Nur weil er mir zu Weihnachten keinen Ring schenkt, heißt das nicht, dass er mich nicht liebt. Ich habe aufgehört, zu interpretieren – meine Gedanken schaffen keine subjektive Realität mehr.“

In deinem Buch zeigst du auch auf, wie sich Grenzen im Kopf sprengen lassen. Aber warum müssen die weg? Wenn ich meine Schwächen kenne und akzeptiere, kann ich mich doch besser auf meine Stärken konzentrieren.
„Ja. Aber nur, wenn diese Grenzen dich nicht einschränken. Nehmen wir an, du weißt, dass du schlecht darin bist, vor mehreren Leuten zu sprechen. Trotzdem wünschst du dir vor jedem Meeting, das Herz würde nicht so rasen und du könntest endlich etwas sagen – weil du etwas zu sagen hast. Dann solltest du gegensteuern. Und stell dir auch gleich die Frage: Ist diese Grenze wirklich da, oder entspringt sie nur einem Glaubenssatz, den du irgendwann mitbekommen, aber nie hinterfragt hast? Nur weil irgendwann irgendwer irgendwas gesagt hat, muss es nicht die Wahrheit sein. Frei nach dem Motto: ‚Glaub nicht alles, was du denkst!‘

Gibt es eigentlich keine Honigperlen ohne irgendeinen Krisenbeigeschmack? Anders gefragt: Geht Glück auch, wenn es nicht als Drama daherkommt?
„Klar, man muss nicht immer einen Berg von Krisen überwinden, um das nächste Tal zu sehen. Es gibt Honigperlen, die nur deshalb welche sind, weil wir sie bewusst wahrnehmen. Kleinigkeiten. Wenn uns in der U-Bahn ein Kind anlächelt.“

Du sagst von dir selber: „Endlich weiß ich, wie es ist, mich selbst bedingungslos zu lieben.“ Wie fühlt sich das an?
„Wie die Liebe, die Eltern zu ihrem Kind verspüren. Keine Mutter liebt ihr Kind weniger, wenn es eine schlechte Note hat oder einen Höcker in der Nase.“

Was mir hilft Selbstliebetraining. Oder ein Komplimentetagebuch.

Melanie Pignitter, Autorin

Wie hast du das hingekriegt?
„Das ist auch ein Ergebnis meiner Krankheit. Ich habe damals begonnen, Selbstliebetraining zu machen. Da gibt’s viele Wege, etwa die Spiegelbildübung von Louise Hay. Da stellst du dich hin, schaust dir selber tief in die Augen und sagst: ‚Ich liebe, was ich da sehe.‘ Wem das zu heftig ist, der kann auch ein Komplimentetagebuch führen. Wie oft hören wir von anderen: ‚Wow, der Rock steht dir toll!‘ Was sagen wir dann? ‚Danke, ist nur ein ganz billiges Teil ...‘ Wir könnten auch einfach nur ‚Danke‘ sagen. Das Kompliment bewusst wahrnehmen und am Abend aufschreiben. Wenn man beginnt, den Fokus darauf zu richten, wird mehr daraus.

Was macht für dich ein gutes Leben aus?
„Die Freiheit zu haben, zu tun, was mich freut. Zumindest die meiste Zeit. Das ist dann ein verdammt gutes Leben.“

Wie du dir einen Vorrat an guten Gedanken anlegst, zeigt dir Melanie Pignitter, Mentaltrainerin und Buchautorin, hier.