Der optimierte Wagner, Teil 22: Let's talk about Blutzucker!
Essig, Vollkornreis, Stress. Über den Sensor, der unsere Auszucker misst. Zack!

Oriana Fenwick
Den zeitgemäß ambitionierten Biohacker werden Sie aktuell an drei Gegenständen erkennen. Erstens: nach Sonnenuntergang an der rot gefärbten Brille im Gesicht. (Blueblocker vor Sonnenuntergang tragen nur Feinde ihres Schlafs.) Zweitens: am Oura Ring am Finger. Drittens, und das ist relativ neu: am münzgroßen Sensor am hinteren Oberarm.
Brille und Ring haben wir in früheren Kolumnen bereits gefeiert. Heute ist der Sensor dran. Dieser Sensor misst, wie viel Zucker in unserem Blut schwimmt. Das ist wichtig. Denn wir wollen nicht, dass viel Zucker in unserem Blut schwimmt. Und wir wollen nicht, dass die Menge an Zucker, die in unserem Blut schwimmt, stark schwankt. Wir fürchten dauerhaft zu viel Zucker im Blut, denn der macht Menschen dick und krank und erlöst sie vor der Zeit von ihrem Leid. Wir fürchten starke Blutzuckerschwankungen, denn die machen Menschen zu dümmlich sabbernden Zuckerjunkies, machen sie dick und krank und erlösen sie vor der Zeit von ihrem Leid.
Daher messen wir unseren Blutzucker. Was früher nur durch wirklich unangenehme Stiche in Fingerkuppen ein oder zweimal täglich zu schaffen war, ermöglicht dieser Sensor schmerzfrei: 24 Stunden pro Tag.
So was begeistert uns. Die Avancierteren unter uns erzählen nach einer Woche Continuous Glucose Monitoring (so der Fachjargon) Dinge wie: „Zuerst Salat, dann Proteinquelle, danach ein Stück Kuchen, und gerade mal 10 Punkte über der Baseline!“ Oder: „Ich kann weißen Reis wunderbar vertragen, sobald er resistente Stärke ausgebildet hat, aber Vollkornreis oder gar Nudeln? Frage nicht! 35 Punkte rauf, zack!“ Oder: „Einmal schlecht geschlafen, und mein Nüchternblutzucker ging durch die Decke, 110 vormittags trotz 18 Stunden Fastenfenster!“
Man kann auch sehr ausführlich herumexperimentieren, wie viel von welchem Essig in welchem Abstand vor welchem Essen die Blutzuckerkurve wie stark abflacht. Die detektivische Beobachtung des eigenen Blutzuckers hat das Zeug zur Lebensaufgabe, man könnte sich sogar davon stressen lassen. Was viele nicht wissen, bevor sie sich einen solchen Sensor in den Trizeps gerammt haben: Blutzuckermessung ist nicht nur Messung des Zuckers im Blut. Sie ist in ihrer Aussagekraft über Qualität und Quantität des zu erwartenden Lebens ungefähr auf dem Niveau der Herzratenvariabilität.
Der Unterschied: Während die HRV uns so was zuflüstert wie „Hach, mein Lieber, wolltest du nicht ein wenig mehr auf dich achten?“, knallt uns der Blutzucker ein „ArSChlOch, WiEdeR Mal LUst geHaBt, siCh wIe eiN IdIOt auFZuFühRen?“ ins Gesicht. Schlechter Schlaf? Zack. Blutzucker-Spike. Stress, Angst, Sorgen? Zack. Blutzucker-Inferno. Übertraining? Zack. Was eigentlich Gesundes, aber dann doch Falsches gegessen? Bummzack. Man will seinen Blutzuckerspiegel nicht zum Feind haben.
Ich hatte den Monitor zweimal für eine Woche im Arm. Ich kann nichts originell Kompliziertes über Essig oder resistente Stärke oder Vollkornreis sagen. Ich entdeckte aber, dass ich ein Problem mit Stress in der Dimension Alpenpanorama hoch Achterbahn habe, mehr sage ich nicht, Sie sollen sich ja keine Sorgen um mich machen. (Ich erzähle in Folge 37 des Podcasts „Die Biohacking-Praxis“ mehr drüber.) Ich schaffte Blutzuckerausschläge, für die andere eine Malakofftorte und einen halben Liter gesättigte Glukoselösung gebraucht hätten (ohne Essig davor!), sobald sich ein Präsentationstermin, eine Budgetbesprechung oder eine Deadline am Horizont abzeichnete. Ein quengeliges Kundenmail oder ein verärgerter Leserbrief reichten, und zack! Seien Sie also freundlich zu mir.

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STEFAN WAGNER ist Biohacker, das heißt, von dem Gedanken beseelt, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Körper, Geist und Seele durch verschiedenste Maßnahmen zu verbessern – um so länger und besser zu leben. Bis 120, hat er sich vorgenommen. Mindestens.
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