In Partnerschaft mit

Das Letzte, was ich sah, bevor mir eine gigantische Schaumwolke von oben die Sicht nahm, war das verzückte Gesicht meiner Begleitung. Meiner männlichen Begleitung, die nichts am Leib trug, außer einem beschämend kleinen Wegwerfhöschen. Meiner verzückten männlichen Begleitung, die gerade ein Schaffel warmes Wasser von einem großen, dunkelhaarigen Mann über den Rücken geleert bekam. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf vertrauensvoll an den Busen meiner Einseiferin.

Reinigung nach jahrhundertealter Tradition

Nein, keine Sorge, das hier wird nicht der nächste Teil von „Fifty Shades of Grey“. Ich war auch nicht in einem sehr auf Körperhygiene konzentrierten Swingerclub. Sondern in einem Märchen aus 1001 Nacht, dem prächtigen Hammam des Wiener Etablissements Aux Gazelles.

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In so einem orientalischen Badehaus finden nach jahrhundertealter Tradition reinigende Zeremonien statt. Nun, eigentlich sind es Waschungen, die, vor allem im Westen mit der Zeit, zu luxuriösen Wellness-Angeboten, ausgebaut wurden. Die Abläufe können sich also unterscheiden und mitunter ganz schön ins Geld gehen.

Hamam Bad

Bild: www.stefanjoham.com

Sauber bis in die Poren

Aber im Kern geht es immer um dasselbe: Man wird lange und ordentlich – und ich meine wirklich beherzt – durchgeschrubbt, eingeseift, gepeelt und gewaschen – und das alles passiert auf warmen Marmorsteinen. Vorher gibt es noch heißen Pfefferminztee und ein Dampfbad. Wenn ich hier also von Sauberkeit schreibe, dann meine ich es so. Porentief rein. Dafür sorgen auch Herr und Frau „Tellak“, die Zeremonienmeister, mit routiniertem Griff.

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Behutsame Kopfwäsche im marmornen Ambiente

In einen gemischten Hammam zu gehen, also sich zu zweit stundenlang durch schrubben zu lassen, ist nicht sehr verbreitet, aber im Aux Gazelles möglich. Immerhin sind es ja viele Österreicher und Österreicherinnen gewohnt, mit Freunden des anderen Geschlechts, in der Sauna oder am Strand, textilfrei Zeit zu verbringen. Also warum nicht gemeinsam rosig werden? Trotzdem war’s komisch, jedenfalls die ersten paar Sekunden. Das lag an den Wegwerfhöschen.

Aber wenn das Auge abseits davon auf so viel Schönes trifft, ist die erste Scham schnell vergessen. Die jadegrün-grauen Marmorsteine des Hammam haben auch auf den Geist eine beruhigende Wirkung. Und ich höre überraschend schnell auf, die üblichen zotigen Witze, zur Entspannung der Atmosphäre, zu reißen. Den Rest besorgt dann das Wasser.

Ich bin bekennender Badewannen-Fan und genieße einen lauwarmen Guss nach dem anderen. Und die kommen mit Emphase aus einer kupfernen Schüssel über mich, über den Kopf, über die Schultern, prust. Und dann liegt man auf den warmen Steinen und dämmert vor sich hin, während sich die Poren langsam öffnen. Weil wie gesagt: porentief rein.

Schrubben, Rubbeln, Schaummassage

Der Moment, an dem ein durchschnittlicher Mitteleuropäer mit katholischen Wurzeln schließlich stutzt, ist sicherlich das erste Einseifen durch den Tellak – bei mir war es eine Lady, bei meiner Begleitung ein Herr. Aber wir saßen dabei nebeneinander wie artige und sehr schmutzige Schulkinder. Zuerst mit Olivenseife, dann nach einer weiteren Waschung –diesmal mit überraschend kühlen Wasser – folgt das Schrubben mit dem „Kese“, einem speziellen Handschuh, der es ermöglicht, sich ausnahmslos von allen abgestorbenen Hautschüppchen auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden.

Zum Finale? Wird es wirklich himmlisch. Du wolltest immer schon mal wissen, wie sich eine Wolke anfühlt? Oder wie es sich anfühlt, eine Wolke zu sein?

Bei der Sambulma werden zuerst mit einem Baumwollschlauch Unmengen an Schaum produziert, dann verteilen Herr und Frau Tellak diese wahrlich immense Menge auf unseren Körper und massieren uns dann quasi mitten durch. Das ist großartig. Spätestens jetzt fühlt man sich wie ein Baby, das vertrauensvoll von seiner Mutter gebadet wird. Die Hemmungen fallen und die durch Schaum gemurmelte Frage, ob man mir auch noch die Haare waschen soll, beantworte ich mit Ja.

Die Kontrolle abgeben

Sich waschen zu lassen, ist sicherlich ein intimer Akt. Immerhin wurde unser Erwachsendasein ja auch damit initiiert, dass wir das mit der Körperhygiene selbst erledigen können. Aber hat wahre Entspannung nicht genau damit zu tun – mit dem sich Fallenlassen? Kontrolle kontrolliert abgeben, ist etwas wirklich Feines. Sich darauf verlassen zu können, das der andere dir etwas Gutes tun will und auf dich aufpasst. Unwohl habe ich mich jedenfalls keine Sekunde gefühlt – also später dann, nach dem ersten Wegwerfhöschen-Schock. Es war eine sehr entspannende, orientalische Riesenbaby-Erfahrung.

Ja, das Loslassen. Keine einfache Übung. Aber eine, die sich auszahlt. Und schlimmstenfalls ist man einfach bloß sehr, sehr sauber.