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Ich bin keine außerordentlich begabte Köchin, demnach war ich mäßig begeistert von der Idee, selbst zu fermentieren. Mein einziger persönlicher Bezugspunkt dazu ist eine schöne Erinnerung an meine Großmutter, in deren Kredenz, hübsch anzuschauen, Einmachgläser standen.

Erkenntnis 1: Fermentieren ist kein Geheimtipp

Nach kurzer Recherche fand ich heraus, dass zu Omas Zeiten noch viel fermentiert wurde, da es noch nicht selbstverständlich war, einen Kühlschrank zu besitzen. Fermentierte Lebensmittel sind heute aber nach wie vor präsent. Wir kennen das Labaneh aus dem Fernen Osten, einen Frischkäse mit Joghurt als Basis. Oder Kimchi aus der koreanischen Küche: Das Herstellungsverfahren ist von der UNESCO sogar als Kulturerbe geschützt. In Japan verwendet man Miso, eine Paste aus fermentierten Sojabohnen. Und aus China stammt Kombucha, ein Teegetränk, das durch einen speziellen Pilz fermentiert wird.

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Erkenntnis 2: Zum Fermentieren braucht’s nicht viel

Mit diesem spärlichen Wissen und der Hoffnung, dass Fermentieren einfacher ist, als gedacht, machte ich mich mit großem Respekt an die Sache. Ich las den Artikel über das Fermentieren in der 03/19-Ausgabe des carpe diem-Magazins und fand die dazu passenden Rezepte hier.

Für den Anfang wählte ich die einfache Salzlake-Technik. Dafür braucht man im Grunde nichts als ein Einmachglas, Wasser, Salz und Gewürze. Alternativ kann man die Sauerkraut-Technik ausprobieren.

Für die Fermentation besonders gut eignen sich feste Gemüsesorten, wie zum Beispiel Karotten, sämtliche Kohlsorten, Rote Beete, Rettich, Rüben, Sellerie oder Fenchel. In der gehobeneren Fermentierküche experimentiert man auch mit Blüten, Artischocken oder Spargel.

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Wie Fermentieren funktioniert
Fermentieren ist ein natürlich auftretender Gärungsprozess, der mithilfe von freundlichen Milchsäurebakterien in Gang kommt. Man steckt also das frische, grob geschnittene Gemüse in das Glas, füllt mit Wasser und ein paar einfachen Gewürzzutaten auf – und den Rest erledigt die Natur selbst. Je nach Gemüse dauert es zwei bis vier Wochen, bis es fermentiert ist.

In dieser Zeit zerstören die Milchsäurebakterien die Struktur des Gemüses, der eigene Saft tritt also aus und vermischt sich mit dem Salz im Wasser. In der so entstandenen Salzlake müssen die Gemüsestücke vollständig bedeckt liegen, erst das sauerstofffreie Milieu ermöglicht die Gärung: Denn so können Stärke und Zucker von den Milchsäurebakterien in Milchsäure umgewandelt werden.

Erkenntnis 3: Schimmel vermeiden, Gewichte verwenden

Die Vorfreude darauf, wie das alles am Ende schmecken würde, war groß. Ich entschied mich für vier Gemüsesorten, die unterschiedlich lange brauchen, um durchzufermentieren: nämlich KarottenRadieschen, Gurken und rote Zwiebeln. Natürlich gereift und bio. Ich kaufte vier Ein-Liter-Einmachgläser mit Gummiring, traditionell würde man auch Tontöpfe nehmen, das frische Gemüse, unjodiertes Salz, Senfkörner, Pfefferkörner ein paar Lorbeerblätter.

Dazu noch vier Gewichte aus Glas, damit das Gemüse nicht hochschwimmt. Denn wenn ein Gemüsestück frei liegt, also nicht völlig bedeckt ist von der Salzlake, entstehen schädliche Fäulnisbakterien – oder Schimmel. Dann muss der Inhalt des ganzen Glases weggeworfen werden. Und man beginnt von neuem. Sauber und keimfrei ist die Devise.

Erkenntnis 4: Hygiene ist die halbe Miete

Tag 1. Bis auf die Gurken schnitt ich alles in halbwegs mundgerechte Stücke und setzte eine vierprozentige Salzlake an. Das kalte Wasser dafür nahm ich zwar aus der Leitung, ließ es aber eine halbe Stunde stehen, damit sich etwaige Zusätze wie Chlor oder Chlorid verflüchtigen konnten.

Auch auf meine Hygiene achtete ich penibel: keine Seife, lieber Handschuhe, alles, womit das Gemüse in Berührung kam, würde man ja schmecken.

Zur Sicherheit kochte ich die Gläser aus – und dann ging’s schon los. Ich füllte die Gemüse jeweils in die Gläser, gab ein paar Gewürze dazu, goss großzügig mit der Salzlake auf, sodass alles bedeckt war. Dabei stellte ich fest, dass es gereicht hätte, einfach Tassen als Gewicht auf das Gemüse zu legen, man muss nicht extra welche kaufen. Einmachglas zu – und dann hieß es warten. Schon am Abend bildeten sich die berühmten Bläschen – der Prozess hatte begonnen. Es sah toll aus.

Erkenntnis 5: Im Dunklen lässt sich’s gut munkeln

Tag 2. Am nächsten Tag stellte ich fest, dass die Radieschen anfingen, Farbe zu verlieren, und las nach, dass die Gläser im Dunklen stehen sollten. Also stellte ich sie in einen Küchenkasten. Hoffentlich war das jetzt nicht zu spät, dachte ich.

Fermentieren-Selbstversuch

Bild: Heidi List

Erkenntnis 6: Schützlinge nicht aus den Augen lassen

Tag 3–13. Im Laufe der nächsten Tage lugte ich hie und da hinein zu meinen Schützlingen. Schon am dritten Tag stellte ich fest, dass die Gurken ein Eigenleben entwickelt hatten, sie waren jedoch nach wie vor vollständig von Flüssigkeit bedeckt, was ich als gutes Zeichen wertete.

Tag 14. Nach zwei Wochen sahen die unterschiedlichen Gemüsesorten ein wenig eingetrübt aus, bis auf die Karotten, die orange strahlten. Doch dann die Niederlage: Im Glas der Zwiebel war das Gewicht verrutscht. Einige Zwiebeln waren nicht mehr von der Lake bedeckt. Man sah ihnen den Fäulnisprozess schon an, und ich musste sie wegschmeißen. Sehr schade. Aber mir blieben noch die Radieschen, die Karotten und die Gurken.

Erkenntnis 7: Schmeckt gut, aber anders

Schließlich schritt ich schließlich zur feierlichen Verkostung der Radieschen, die am schnellsten fertig waren. Ich war recht aufgeregt, weil ich eigentlich auch nicht wusste, was ich überhaupt zu erwarten hatte. Sicher, den Geschmack von anderen fermentierten Nahrungsmitteln kannte ich: Kaffee, Wein oder Sauerkraut. Wie wohl die Radieschen schmecken würden?

Ich traute mich nicht alleine heran, daher holte ich einen Kenner und Gourmet zu mir, und wir verkosteten gemeinsam. Ehrlich gesagt: Ich musste mich erst an diesen ganz eigenen, überhaupt nicht mehr scharfen Geschmack gewöhnen. Durch den Gärungsprozess entsteht eine unerwartet saure Note. Wir machten uns einen Blattsalat und mischten die fermentierten Radieschen drunter. Es war unglaublich gut! Ich war wirklich erstaunt – und stolz, weil ich das nicht versemmelt hatte.

Fermentieren-Selbstversuch

Bild: Heidi List

Erkenntnis 8: Vorfreude ist die schönste Freude

Tag 17–28. Die Gurken waren eine paar Tage später dran. Die hätten noch gebraucht: Sie waren nicht mehr ganz Gurke und noch nicht Salzgurke. Ich stellte sie verschlossen in den Kühlschrank zurück, in der Hoffnung, dass sie noch ein wenig vor sich hin blubbern würden. Auch den Karotten gab ich noch zwei weitere Wochen Zeit. Letztere sehen immer noch ganz toll aus, als hätte ich sie ganz frisch angesetzt. Auf deren Verkostung freu ich mich am meisten.

Fazit

Das größte Plus am Fermentieren ist für mich die Vorfreude darauf, wie die Gemüsekombinationen schmecken werden. Der Beschäftigungsfaktor ist auch nicht außer Acht zu lassen: Weil ich immer wieder danach Ausschau halte, wie es meinen Gläsern geht, brauche ich (fast) kein Fernsehen mehr. Ich bin jetzt ein Fermentationsfan!

Nachsatz: Ich bitte natürlich um freundliche Nachsicht bei allen Expertinnen und Experten, was das Fermentieren angeht. Es war ein erster Versuch, es gibt viel Luft nach oben, was das Wissen darum und andere Kniffe betrifft.