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Schockstarre? Obwohl wir die meisten der 20.000 Entscheidungen pro Tag intuitiv treffen (die berühmt-berüchtigten „Bauchentscheidungen“), haben wir manchmal das Gefühl, festzustecken. Oder der Druck, das Richtige zu tun, ist zu groß. Um ihn zu mindern, setzt die Wissenschaft nicht nur auf „Kopf oder Zahl“, sondern u.a. auch auf ehrliche Kritiker, Stresstests und das große Ganze.

Schuld mit zwei Richtungen

Bild: Pablo Garcia Saldana/Unsplash

Flut an Mini-Entscheidungen

Gerade jetzt sind es nicht nur die ganz großen Fragen des Lebens: Soll ich das Haus kaufen? Heiraten? Den Job wechseln? Es überrollt uns eine Flut an Mini-Entscheidungen – und das ziemlich unerwartet. Gehen wir zum Luftschnappen in den Park oder nur in den Hof? Muss ich wirklich einkaufen gehen? Tische ich dem Kind heute schon wieder kalte Jause auf oder gibt’s doch was Warmes? Wenn ja, Nudeln reloaded oder Pasta extended? Setze ich es vor die 10. Folge „Paw Patrol“ oder basteln wir aus Nussschalen lustige Schiffchen?

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1. Wirf doch eine Münze, um die Blockaden zu lösen

Die Angst vor dem Unbekannten lähmt uns. Also, was tun? Patentrezept gibt’s leider keines, aber dafür die gute alte Münze. Sie zu werfen löst Blockaden. Und das auch, wenn wir uns am Ende gar nicht daran halten. Warum das so ist, zeigt eine Studie der Universität Basel.

Sozialpsychologin Maria Douneva ließ in Online-Experimenten 1.000 Probanden zwischen zwei Optionen entscheiden. Es ging etwa darum, den Vertrag eines Mitarbeitenden zu verlängern oder nicht, oder sich für eine wohltätige Organisation zu entscheiden, an die gespendet wird.

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Ein Teil der Probanden bekam nach einer vorläufigen Entscheidung das Ergebnis eines Münzwurfs zu sehen, das eine der beiden Optionen anzeigte. Anschließend hatten sie noch einmal Zeit, weitere Informationen zu recherchieren, bevor sie ihre endgültige Entscheidung abgeben mussten.

Schneller und leichter entscheiden

Das Ergebnis: Nur wenige Probanden ließen sich von Kopf oder Zahl beeinflussen. Allerdings hatten diejenigen, die den Münzwurf sahen, deutlich weniger Bedürfnis nach weiteren Angaben zu den Optionen. Sie trafen ihre Entscheidung schneller – und, ganz wichtig, taten sich dabei auch wesentlich leichter.

Pflanze wächst zwischen Münzen

Foto: Micheile Henderson/Unsplash

Wer sich prinzipiell und besonders jetzt nicht von einer fliegenden Münze leiten lassen will, dem könnten folgende Techniken helfen, die Sozialpsychologin Maria Douneva gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Rainer Greifeneder mit Blick auf die aktuelle Lage formuliert hat. Sie raten bei Entscheidungsnot zu u.a. folgender Herangehensweise.

2. Behalte allgemeine Entwicklungen im Auge

„Das Verhalten von Menschen wird eher von Einzelschicksalen beeinflusst, sowohl positiven als auch negativen, als von Statistiken“, erklärt Douneva.

Um die aktuelle Situation zu verstehen, ist es ganz wichtig, über die Einzelfälle hinauszugehen und allgemeine Entwicklungen in einer Region, einem Land oder einem Kontinent zu beobachten.

Maria Douneva, Sozialpsychologin

3. Beherzige nicht nur das, wonach du gesucht hast

Es ist wahrscheinlich, dass wir nach Informationen suchen, die die eigene Sichtweise bestätigen, oft auch unbewusst. Diese Tendenz macht vieles im Leben einfacher, aber sie kann auch zu falscher Zuversicht führen. Es ist deshalb hilfreich, möglichst unvoreingenommen unterschiedliche Einschätzungen einer Situation zu berücksichtigen.

4. Entscheide nicht aufgrund von Vermutungen

Menschen glauben, dass das eigene Befinden für andere klar wahrnehmbar sei. Doch dies ist nicht der Fall. Ein Beispiel: Du machst dir Sorgen, deine Absage zum Mittagessen könnte bei anderen Unverständnis auslösen? Brauchst du nicht. Wenn du über deine Bedenken sprichst, tun es dir die anderen vermutlich gleich.

5. Schau in die Zukunft

Fernrohr mit Meerblick

Bild: Lin Jhih-Han/Unsplash

Wir legen den Fokus oft zu sehr auf die Gegenwart, anstatt für die Zukunft zu planen. Aber: Ein kleiner Aufwand jetzt kann helfen, dann Folgen zu vermeiden. Den gebuchten Urlaub heute zu annullieren ist mit Kosten verbunden – später ist es aber vielleicht noch teurer und aufwendiger. Vor allem, weil sich die Normen momentan ständig ändern.

Man sollte keine Angst haben, jetzt mit einer ungewöhnlichen Maßnahme anzufangen, wenn sie empfohlen wird.

Maria Douneva, Sozialpsychologin

Entscheiden einfach lernen

Dass es keines Talents bedarf, um (gute) Entscheidungen zu treffen, weiß Philip Meissner: „Entscheiden kann man lernen“, so der ehemalige Banker und jetzige Leiter des Lehrstuhls für Strategisches Management und Entscheidungsfindung an der ESCP Europe Berlin. Er definiert Entscheidungen als eine „Kombination aus etwas hoch Strategischem und etwas vollkommen Subjektivem“.

In seinem Buch „Entscheiden ist einfach. Wenn man weiß, wie es geht“ (Campus Verlag) präsentiert er sieben Strategien, deren Anwendung er vor allem bei Fragen mit großer Tragweite empfiehlt – u.a. diese:

6. Identifiziere das echte Problem

Am Beginn jedes Entscheidungsprozesse sollte das echte Problem stehen – kein Scheinproblem. Versuchst du durch eine Entscheidung nämlich das falsche Problem zu lösen, ist die Chance hoch, dass auch die Entscheidung falsch ist.

Ein Beispiel: Mein Job füllt mich nicht mehr aus, ich erwäge die Kündigung. Der Experte rät, ganz genau in sich hineinzuhorchen. Denn: Sind es nicht eher die Vorgesetzten oder Kollegen, mit denen ich mich auseinandersetzen sollte? Das Gespräch zu suchen kann unangenehm sein. Aber so könnte ich meinen Job behalten.

7. Such dir einen ehrlichen Kritiker

Meissner empfiehlt weiters, sich vor einer wichtigen Entscheidung mit einem kritischen Menschen zu beraten.

So beziehen wir andere Sichtweisen mit ein und verbessern die Qualität der Entscheidung ungemein.

Philip Meissner, Management-Professor

8. Stell deine Idee auf die Probe

Abschließend warnt der Autor vor unangebrachter Romantisierung der Alternativen. Sprich: Wir sollten aufpassen, beim Schwelgen in Optionen keine rosarote Brille zu tragen. Meissner: „Identifizieren Sie mögliche Risiken und beginnen Sie so schon jetzt, sich mögliche Gegenmaßnahmen zu überlegen.“

Übrigens: Der Experte rät dringend davon ab, Entscheidungen im Nachhinein zu beurteilen. Damit täten wir uns nämlich gänzlich unrecht. Warum? Ganz einfach, weil wir die Information, die zwischen der Entscheidung und dem jetzigen Zeitpunkt liegen, damals ja noch nicht gehabt haben.