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„Das Leben ist nicht kompliziert. Wir sind es. Das Leben ist einfach, und das Einfache ist stets das Richtige.“ Dieses Zitat von Oscar Wilde findet sich gleich auf den ersten Seiten deines Buchs. Erklär mir, Lars: Wieso ist das Leben denn so einfach?
Lars Amend: „Das Einfache am Leben ist tatsächlich, dass wir den größten Sieg, den wir jemals einfahren werden, bereits in der Tasche haben: am Leben zu sein. Wir wuseln den ganzen Tag durch die Gegend und versuchen, erfolgreich und glücklich zu sein – und vergessen dabei die ganze Zeit: Alles, was während des Lebens passiert, ist doch nur die Kirsche auf der Torte. Die Torte haben wir längst.“

Inwiefern?
„Die Wahrscheinlichkeit, als Mensch geboren zu werden, liegt bei eins zu vier­hundert Trilliarden, das haben schlaue Menschen einmal ausgerechnet. Es ist wahrscheinlicher, sechsmal nacheinander im Lotto zu gewinnen, als als Mensch geboren zu werden – und nicht als Amö­be oder Fruchtfliege. Und jetzt wurden wir nicht nur irgendwo geboren, sondern im sicheren Mitteleuropa. Wir haben zu essen, haben ein Dach über dem Kopf. Global gesehen haben wir den Jack­pot mal zehn. Wenn uns das jeden Tag bewusst wäre, wäre der Rest total easy. Doch wir wachen auf, jeden Morgen, und glauben, wir sind nicht genug, wir haben nicht genug, es gibt so viele Menschen, die sind besser, schöner, klüger als wir ... und befinden uns in einem permanenten Stadium der Frustration.“

Es gibt ein Richtig oder Falsch für mich und ein Richtig oder Falsch für dich.

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Okay, das verstehe ich: Das Leben ist (oder wäre) einfach. Aber wie ist das mit dem „Richtigen“ aus dem Zitat? Was bedeutet „richtig“ in einem Leben?
Es gibt natürlich kein absolutes Richtig oder Falsch. Es gibt ein Richtig oder Falsch für mich und ein Richtig oder Falsch für dich. Ein gutes Leben kannst du nur dann führen, wenn dein Alltag mit deinem persönlichen Wertesystem im Einklang ist. Wenn meine Werte zum Beispiel „Freiheit, Familie und Natur“ sind, ich aber in der Stadt wohne, einen 15-­Stunden­Tag habe und Single bin, dann bin ich zwar möglicherweise aus der Sicht der Gesellschaft super erfolg­reich, aber mein persönliches Werte­system ist ein ganz anderes. So werde ich kein zufriedenes und für mich selbst erfolgreiches Leben führen.

Beispiel: Mein Vater war Lehrer, für ihn war Sicherheit immer sehr wichtig. Deswegen ist er Be­amter geworden. In meinem Wertesys­tem nimmt Freiheit diesen Stellenwert ein. Deswegen war ich noch nie fest an­gestellt und habe eben aber auch die Un­sicherheit, nicht zu wissen, was morgen passiert. Mein Vater hat einmal zu mir gesagt: ‚Hätte ich dein Leben, hätte ich Albträume.‘ Darauf sagte ich zu meinem Vater: ‚Das glaube ich dir. Hätte ich dein Leben, hätte ich sie auch.‘ Zu wissen, wo ich die nächsten dreißig Jahre jeden Morgen hingehe, wäre für mich ganz schlimm. Es gibt also kein Richtig und kein Falsch, es gibt nur das, was ich für mich persönlich als richtig empfinde.

EVENT-TIPP: carpe diem Lebensweise mit Lars Amend am 24./25. Juni 2022

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Sind uns die eigenen Werte denn immer bewusst?
„Nein. Wir sind ja alle brainwashed – von klein auf. Von Lehrern, Gesellschaft, Werbung. Wir haben alle ein Bild im Kopf, wie ein gutes und glückliches Leben auszusehen hat. Da braucht es schon großes Vertrauen in sich selbst, um zu sagen, okay, irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich einen anderen Weg gehen möchte als meine 25 Mitschüler.

Wie finde ich denn heraus, dass ich wirklich einen anderen Weg gehen will?
„Diese leise innere Stimme, die einem das verrät, hat im Prinzip jeder. Wir haben nur verlernt, sie zu hören.“

Weil wir ...?
„...zu laut sind. Weil wir uns immer wieder ungeschützt dieser lauten Welt aussetzen. Ruhe hilft. In der Meditation hören wir die Stimme wieder.“

Lars Amend über den Sinn des Lebens im Gespräch

Bild: Melanie Koravitsch

Und wenn ich meine Werte dann kenne: Sind die ein Leben lang unveränderlich? Wie meine Erbanlagen?
„Natürlich wandeln die sich. Das sollen sie auch. Dass sich Prioritäten verschieben, gehört zum Leben. Leben ist ja ein Pro­zess. Wer mit 17 die gleichen Gespräche führt wie mit 37, ist in seiner Entwick­lung nicht wirklich vorangekommen. Das ist ja auch einer der Gründe, warum es so wichtig ist, sich immer wieder zu hinterfragen. Ein gelungenes Leben ist für mich, wenn du mit 95 zurückblickst und nichts bereust. Das heißt nicht, dass all deine Träume in Erfüllung gehen mussten. Aber dass du das Gefühl hast, es probiert zu haben. Ein gelungenes Leben bedeu­tet: Chancen nicht verpasst zu haben.“

Auch, wenn nicht aus jeder Chance was geworden ist?
„Es geht um den Versuch. ‚Jedem An­fang wohnt ein Zauber inne‘ – das ist so wahr. Und sobald du etwas mit ganzem Herzen beginnst, gehen ohnehin über­all Türen auf. Menschen treten in dein Leben und versuchen, dir zu helfen. Eben weil du keine Angst hattest, der Welt zu zeigen, dass es dich gibt. Aber wenn du zu Hause auf deinem Sofa sitzen bleibst und hoffst, dass irgendetwas anders wird, dann kannst du für immer warten.

In deinem Buch gibt es einen Gegenspieler zur leisen inneren Stimme: den „Brainfucker“, der verhindern möchte, dass du in die Welt gehst ... „Er ist die Summe der Stimmen der an­ deren – Eltern, Nachbarn, Lehrer. Wenn man esoterisch wäre, würde man sagen: Wir kommen alle als göttliches Wesen auf die Welt, aber erkennen es mit der Zeit immer weniger, weil die Menschen auf uns einwirken. Oder wie Vincent van Gogh meinte: Wir werden alle als Künstler geboren und müssen uns als Erwachsene erst wieder daran erinnern.“

Und dann kommt jemand, der sagt, du kannst nicht zeichnen.
„Genau. ‚Du kannst es nicht. Du bist nicht gut genug. Probier es lieber erst gar nicht.‘ Und irgendwann gehst du durch die Welt und glaubst, du kannst nichts, du bist nichts. Solange, bis du erkennst: Moment mal, raus aus meinem Kopf, ihr Fremdstimmen! Das Bewusstsein dafür zu erlangen, dass wir nicht die­se Stimmen sind, sondern dass sie uns eingepflanzt wurden ... das dauert lan­ge. Aber sobald du das begreifst, bist du frei, weil du weißt: Das ist mein Leben, ich darf eigene Entscheidungen treffen. Und: Es ist gar nicht schlimm, wenn irgendjemand Nein zu mir sagt. Das hat nichts mit mir persönlich zu tun, das ist nur eine Erfahrung auf meinem Weg von einer Million Erfahrungen.“

Nun ja, manche Erfahrungen können durchaus existenzgefährdend sein. Es passiert nicht alles nur im Kopf.
„Als meine Mutter meinen Vater ver­lassen hat, war er Mitte 30, zwei Kinder, eine halbe Million Schulden, ein viel zu großes Haus. Natürlich war das hart, aber wir hatten trotzdem eine schöne Kind­heit, und mein Vater hat ein gutes Le­ben. Aber warum hat er ein gutes Leben? Weil er ab dem Augenblick, an dem eine neue Situation eingetreten ist, diese neue Situation nicht mit seiner Vergangenheit verglichen hat oder mit einer Wunschvorstellung, wie sein Leben im Idealfall hätte aussehen sollen. Mein Mentor Ru­dolf Schenker hat einmal gesagt: ‚Lebe jeden Augenblick im Bewusstsein eines ganzen Lebens.‘ Das finde ich schön.“

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?
„Das heißt, jeden Augenblick bewusst wahrnehmen, nicht werten, den Espres­so genießen, das Gespräch, an nichts an­deres denken als an diesen Augenblick – und trotzdem wissen, dass das Leben ein Marathon ist und kein Hundert­-Meter­-Sprint. Wenn Dinge mal nicht so optimal laufen, dann weiß ich, es ist nur temporär, nur ein Moment, der auch wieder vergeht. Was ich jetzt machen kann, ist, zu ak­zeptieren, was ist, und mir ganz konkret überlegen, was kann ich heute tun, damit es besser wird. Und dabei mit voller Ab­sicht glücklich sein.“

Wenn Dinge mal nicht so optimal laufen, dann weiß ich, es ist nur temporär, nur ein Moment, der auch wieder vergeht.

Und wie geht das, „mit Absicht“ glücklich sein?
„Indem du dich jeden Morgen daran er­innerst: Ich bin gerade wieder aufgewacht, mir geht es einigermaßen okay, ich genieße jetzt diesen Kaffee, vielleicht nur drei Minuten lang, aber dafür jeden einzelnen Schluck. Und das machst du den ganzen Tag. Immer wieder bewusst Kleinigkeiten genießen, die Augen zu­ machen, atmen, die Sonne spüren, ein gutes Essen genießen, eine Begegnung. Das sind die Dinge, auf die es ankommt. Alles andere ist, wie es eben ist. Vielleicht hast du ein unangenehmes Gespräch mit dem Chef oder zu wenig Geld auf dem Konto – das will ich gar nicht schön­ reden. Aber lass dir doch davon dein Leben nicht vermiesen. Stell dir vor: Vor dir steht gerade eine köstlich duftende Pizza auf dem Tisch, aber kurz vorher ist etwas passiert, was dich geärgert hat. Du kannst in diesem Moment entweder die Pizza trotzdem genießen – oder du kannst die Pizza runterwürgen und in Gedanken anderswo sein. Aber die Situ­ation wird sich dadurch nicht ändern.

Das meinst du wohl mit „Ändere deine Perspektive, und du änderst deine Welt“?
„Ja. Konzentriere dich auf das, was schon da ist, auf das Gute. Jemand fährt dir ins Auto, und du glaubst, die Welt geht unter. Was du vergisst: Du hast daheim zwei tolle Kids, die gesund sind; du hast einen Job, den du magst; du hast einen tollen Freundeskreis, hast den Sommer­urlaub schon gebucht ... lauter Dinge, die schon da sind. Aber diese eine Sache überschattet all die anderen guten Sa­chen. Das meine ich. Versuche immer wieder, dir ein Gesamtbild deines Lebens vor Augen zu führen.“

Das heißt, es geht eigentlich um diese Polarität: einerseits ganz in diesen Mikromomenten zu sein – wie eben mit der Pizza –, andererseits das Gesamtbild zu haben.
„Genau. Meine Oma hat schon gesagt, lass dich von Erfolgen nicht blenden und von Misserfolgen nicht runterziehen. Glaube nicht, dass du der König bist, nur weil mal was gut läuft. Dann musst du dich auch nicht wie der Bettler fühlen, wenn was nicht gut läuft. In gewisser Weise erwartet man ja von sich, dass Dinge gut laufen. Zumindest hat man oft so einen Selbstanspruch. Erwartungen machen das Leben kompli­ziert. Deswegen sage ich immer: Tausche deine Erwartungen gegen Dankbarkeit. Sobald du eine Erwartung hast, knüpfst du dein Glücksgefühl daran, dass diese Erwartung sich erfüllt; und sobald diese Erwartung – warum auch immer – nicht genau so eintritt, wie du es gerne hättest, fühlst du dich in deinem Selbstwert run­tergesetzt. Es macht gar nichts, wenn et­was mal nicht so läuft. Sei doch dankbar, dass du es überhaupt probieren darfst.“

Lars Amed am Wasser auf einem Steg

Bild: Melanie Koravitsch

Das hat meine Oma immer gesagt: „Versuche, das Bestmögliche zu erreichen, aber mach dein Glück nicht davon abhängig.“ Klingt aber bisschen nach Kalenderspruch.
„Was glaubst du, wie oft ich von Men­schen höre: ‚Lars, du und deine ewigen Kalendersprüche!‘ – Dann sage ich: Ja, du hast recht. Und deine Oma hatte auch recht. Kalendersprüche, so lang­weilig und platt sie auch klingen mö­gen, sind trotzdem wahr. Es braucht nur manchmal Zeit, das zu erkennen.“

Weil das Platte eben auch einfach ... und das Einfache eben das Richtige ist.

15 Anregungen, um dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen

  1. Sag „Ich liebe dich“, wenn du es fühlst.
  2. Umgib dich mit Menschen, die dich inspirieren.
  3. Halte die Dinge einfach.
  4. Folge deinem Herzen, auch wenn dich niemand versteht.
  5. Gehe an Orte, an denen du geliebt und nicht ignoriert wirst.
  6. Du willst aufgeben? Erinnere dich daran, warum du angefangen hast.
  7. Lebe DEINEN Traum, nicht den von anderen.
  8. Gib immer ein bisschen mehr, als du bekommst (du wirst es schon bald verstehen).
  9. Steh vom Sofa auf und zeige der Welt, dass es dich gibt.
  10. Lass die Vergangenheit in der Vergangenheit (genau dort ist ihr Platz).
  11. Beginne dein eigenes Glück als Priorität #1 einzustufen.
  12. Mach etwas zum ersten Mal.
  13. Sei dankbar für die Dinge, die bereits Teil deines Lebens sind.
  14. Vertraue dir.
  15. Keine Ausreden mehr.