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Das Telefon läutet. „Du musst, ich wiederhole, MUSST in meine Wohnung fahren und mir das Marienbildchen bringen, das auf meinem Nachtkästchen liegt. Ich habe gleich meinen Auftritt! LOS!“ Es wird aufgelegt. Ich versuche mich zu sammeln. Das am Telefon war meine kluge, pragmatische Freundin, die als Hobby in einem Chor singt. Beruflich ist sie eine rationale Person, Anwältin, sie ist die Person, die über Homöopathie lacht und Weihnachten abgeschafft hat, als ihre Tochter ausgezogen ist. Weil, das ist ja alles Hokuspokus, sagt sie. Und nun das.

Ich fahre in die Wohnung, finde neben dem Bett im Schlafzimmer ein sogenanntes Fleißbildchen. Einen Zettel, wo eine Heilige oder ein Heiliger oben ist oder eine biblische Szene mit einem Spruch. In der Veranstaltungshalle erwartet mich schon nervös. Ich reiche ihr das Andachtsbildchen. Ich hebe eine Augenbraue. Meine Freundin schaut verlegen.

Nichts, was mir je im Leben wichtig war, habe ich ohne dieses Bildchen geschafft. Meine Anwaltsprüfung nicht, meine Hochzeit, die wichtigsten Fälle, die ich gewonnen habe, Führerschein, Matura, erstes Date. Immer war das Bildchen dabei. Ich werde zu Staub zerfallen heute bei dem Auftritt, wenn ich es nicht dabei habe.“ Ich setze an, ihr Glück zu wünschen, aber das darf man ja nicht. Also deute ich an, ihr dreimal über die Schulter zu spucken.

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Das Konzert ist fulminant, meine Freundin bringt ihr Solo mit Würde hinter sich. Danach sitzen wir in einem Restaurant und feiern den Erfolg mit ein paar ihrer Mitstreiterinnen. Ich beginne wieder, über ihren Aberglauben zu feixen. Da greift eine Kollegin in ihre Tasche, holt ein kleines vierblättriges Kleeblatt aus Messing hervor und legt es auf den Tisch. Eine andere öffnet ihr Amulett, zwei Fotos ihrer verstorbenen Eltern sind darin versteckt. „Ich gehe nie ohne aus dem Haus“, sagt sie. Und sie beginnt zu erzählen, dass sie sich ein wenig mit Aberglauben und den zugehörigen Ritualen auseinandergesetzt hat.

An die 67 Prozent der Menschen in Österreich tun Dinge, von denen sie sich Glück versprechen.

An die 67 Prozent der Menschen in Österreich tun Dinge, von denen sie sich Glück versprechen. Und meiden solche, die ihnen Unglück bringen könnten. Manches davon, ohne es zu wissen. Eines der am häufigsten praktizierten Rituale, um das Böse abzuwenden ist beispielsweise, sich die Hand beim Gähnen vor den Mund zu halten. Das hat heute den Zweck, eleganter auszusehen. Aber die Handbewegung stammt aus dem Mittelalter, wo man möglichst geheim gegähnt hat. Häufig gähnenden Menschen hat man nachgesagt, dass sie von Dämonen oder gar dem Teufel besessen waren. Um den finsteren Mächten den Eintritt zu verwehren, hat man sich angewöhnt, dabei die Hand vor den Mund zu halten.

Pusteblume

Bild: Havilah Galaxy/ Unsplash

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Eine Ausnahme aber war Gähnen bei Kinderwunsch. Tat dies die Frau nach dem Beischlaf, war die Schwangerschaft so gut wie sicher. Dieser Aberglaube hat sich nicht bis heute fortgesetzt – es kommt vermutlich nicht mehr sehr gut an, wenn die Frau nach dem Sex sichtlich gelangweilt wirkt.

Aber auch das Daumendrücken ist eine alte Tradition. Heute macht man es, um bei einer Sache Glück zu wünschen. Die Geister scheiden sich, ob es vielleicht aus der Zeit der römischen Gladiatorenkämpfe kommt, wo die Menschen, die mit einem Unterlegenen Mitleid hatten, den Daumen in die Hand schlüpfen ließen, als Metapher dafür, dass das Schwert wieder in die Scheide zurückgehen sollte – sie haben ihm den Daumen gedrückt. Oder aber es kommt von den alten Germanen, wo der Daumen der Glücksfinger war, der besondere Kräfte verhieß.

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Wir überlegen, was wir im Alltag noch so tun, um uns Glück zu sichern. Mit Bier anstoßen. Das hatte früher auch den Nutzen, dass das eigene Bier beim Anstoßen durch das Überschwappen sich mit dem des anderen vermischte, so war kein Gift zu befürchten. Die Schornsteinfeger brachten Glück, denn die früher wenig feuersicheren Häuser waren zumindest halbwegs sicher, wenn der Rauchfangkehrer da war. Sternschnuppen bringen Glück oder sie erfüllen einen Wunsch. Tritt man in einen Hundehaufen, wird man beneidet. Das bringt Glück. Oder aber man kann an dem Tag nicht noch mehr Pech haben, wie man das halt sehen will. Scherben bringen Glück.

Salz ist ein besonderes Thema, es ist wahrlich kostbar. Ihm wurde im Mittelalter die heilige Kraft zugesprochen, das Böse zu vertreiben – Salz stand für Schutz, Glück und Reichtum. Es bringt Unglück, wenn man es verschüttet. Wendet Unheil ab, wenn man eine Prise über seine linke Schulter wirft. Brautpaaren oder beim Umzug in ein neues Zuhause schenkt man Brot und Salz, um Glück und Wohlstand zu sichern. Ist das Essen versalzen, so ist der Koch verliebt.

Schweine bringen Glück, Marienkäfer, Hufeisen ebenso, Schwalbennester am Haus sind gut. Wenn der Kuckuck ruft, soll man die Geldbörse schütteln. Spinnen sind auch vielseitig: die am Morgen bringen Kummer und Sorgen, die am Abend Glück und Gaben. Schlecht: eine schwarze Katze von links, durch eine Leiter durchgehen, wenn eine Wanduhr stehen bleibt. Das ist ganz schlecht, kann sogar fatal sein. Der Freitag der 13. hat viele Gesichter. Für manche ist es ein Glückstag. Die anderen bleiben im Bett. Ein Messer soll man niemals schenken, wenigstens ein Cent ist zu bezahlen, sonst schneidet es die Freundschaft entzwei. Bei der Gelegenheit darf auch die Schneide nicht nach oben zeigen. Einer Braut, der es auf den Schleier regnet, ist Glück beschieden. Deswegen werfen die Hochzeitsgäste Reis, das gilt auch.

Mir reicht das Glück, das jede Sekunde eintritt, in der mir kein Stein am Schädel fällt. In dem Augenblick hören wir ein Quietschen.

Später, beim gemeinsamen Heimweg, behaupte ich, dass ich nichts brauche, um mich abzusichern. Mir reicht das Glück, das jede Sekunde eintritt, in der mir kein Stein am Schädel fällt. In dem Augenblick hören wir ein Quietschen. Ein Auto bremst sehr knapp vor uns. Ich klopfe dreimal auf meinen Kopf, in dem Fall, das naheliegendste, weil kein Holz in der Nähe ist. Meine Freundin lacht. „Okay, fast nichts“, sage ich.

Wohl jeder strebt nach mehr Glück. Die einen überlassen es dem Aberglauben, andere glauben fest daran, dass man Glück üben kann.

Frau und Hund im Herbst lachend auf Wiese.

Glück kann man trainieren

Die Positiv-Denker-Bewegung der 80er Jahre ist zwar gegessen, dennoch strebt wohl jeder nach ein Quäntchen mehr Glück. Und das kann man üben. Wie das geht, weiß Glückstrainerin Heidi Smolka. Weiterlesen...