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Was waren das für Zeiten, damals, Anfang der wilden Achtzigerjahre: Wir trugen Karottenhosen, Jogging High und violette Anzüge mit Schulterpolstern, und von weitem sah man selbst als Kind wie ein Alleinunterhalter aus dem Tanzcafé Pinguin aus.
Viele Dinge und Handlungen wurden nicht hinterfragt, und wenn, dann gab es zwei allgemeingültige Formeln: „Des is hoit so!“ und „Wos sui sei?“.

Ich gehöre zu der Generation, die im Kindergarten noch Aschenbecher getöpfert hat, als Geschenk für Mama und Papa. Im Auto wurde geraucht – aber ohne zu lüften, damit die Kinder auf der Rückbank sich nicht verkühlen. Das Wort „Nachhaltigkeit“ gab es noch gar nicht.
Ich erinnere mich, dass meine Großeltern aus dem Burgenland immer nach Ungarn fuhren, um dort am Markt Mehl zu kaufen und es heimlich über die Grenze zu bringen. 30 Kilo waren es meistens, es sah aus wie Kokainschmuggel im großen Stil. Die El Chapos aus dem Südburgenland wirkten allerdings stets unverdächtig in ihrem Peugeot 305 und wurden nie erwischt.

Ich gehöre zu der Generation, die im Kinder- garten noch Aschenbecher für Mama und Papa getöpfert hat. Im Auto wurde geraucht – aber ohne zu lüften, damit die Kinder auf der Rückbank sich nicht verkühlen

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Für uns Kinder brachten die Großeltern immer im Fünf-Liter-Kanister einen Kiwi-Sirup mit. Dessen Inhalt hatte nie eine Kiwi gesehen, eignete sich aber vorzüglich zum Entfernen von Nagellack.
Gedanken über die eigene Sicherheit machte sich kaum wer. Wenn ich meinem Opa zusah, wie er Holz mit der Tischsäge schnitt, war das ganz normal. Auf der Säge stand ein Glas Most, und der Schneideprozess hatte eine eigene, von ihm selbst entworfene Choreografie: Schnitt – Schluck – Wurf. Schnitt – Schluck – Wurf. Ohne Handschuhe, versteht sich. „Wos sui sei?“

Vieles hat sich geändert, und vieles zum Guten. Kinder stehen nicht mehr bis Lignano durch, sondern sitzen sicher angeschnallt im Fond. Wir leben bewusster, verantwortungsvoller, nachhaltiger und vor allem sicherer – mitunter aber gerade deshalb überreglementiert und verspannt von zu vielen guten Vorsätzen. Wo wir früher zu wenig gedacht haben, denken wir heute zu viel. Brauchen wir wirklich für jeden Schweinsbraten, der auf einem Tischherd gekocht wurde, ein Hygiene-Zertifikat? Muss ich künftig bei allem, was schmeckt, vorher nicht nur die Fett-, sondern auch die Emissionswerte berechnen?

Schweinsbraten mit Kartoffelknödel

Bild: Wikimedia Commons

Man kommt dem Ganzen gar nicht aus. Neulich wieder, als ich für meinen Sohn das Abendessen machte. Ich, voll motiviert: „Jetzt koch ich ihm ein Biogemüse mit Quinoa, dazu einen Bergkräutertee aus dem Himalaya, der von absolut fair bezahlten Bauern geerntet und gänzlich ohne CO₂-Emissionen nach Europa transportiert wurde. Er wird es mir später danken, und vegan ist es auch noch.“

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Ich bin gerade dabei, die erste Zucchini zu schälen, da meldet sich mein alter Freund, der innere Schweinehund: „Muaß des sei?“
Der innere Schweinehund ist eine Spezies, der heutzutage viel zu wenig Achtung entgegengebracht wird. Schon allein aus Gründen des Artenschutzes lehne ich allzu strenge Selbstreglementierung ab.
„Übertreibst du es nicht mit dem Veganismus?“, mosert mir der Schweinehund jetzt von innen ins Ohr. Und: „Wie gesund kann gesunde Ernährung sein, die nicht schmeckt? Schau dir doch einmal deinen Sohn an!“
Das Küchenmesser sinkt herab. Mein Sohn mag überhaupt keine Zucchini. Ich muss an die Eltern denken, die ich neulich im Kindergarten traf und die mir lang und breit erklärten, dass ihr Kind auf keinen Fall Kuchen essen darf, das sei ja so schlecht …

Nein, so will ich nicht leben, denke ich und schütte trotzig eine Portion Tiefkühlpommes aufs Backblech. Dazu gibt’s „Paw Patrol“ -Apfelsaft.
Wos sui sei?
Ich weiß, das ist auch übertrieben. Besser wäre eine entspannte Mischung. Vernünftig sein, aber mit Augenmaß. Wenn schon Pommes, dann Wasser dazu. Wenn schon Kiwi-Sirup, dann zum Quinoa.
Was würde ich im besten Fall also heute zu meinem Opa mit der Tischsäge sagen? „Zieh dir Handschuhe an – und spritz dir den Most halt auf.“