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Die Corona-Krise hat meinem Freundeskreis zugesetzt. Dieser ist jetzt in zwei Lager gespalten: In jenes, das sich der Struktur und der Disziplin verschrieben hat, um das Ganze körperlich und mental zu überstehen und natürlich um die berühmte Chance in der Krise zu nutzen. Und in jenes, das darauf pfeift.

Letztere Fraktion ist abermals gespalten: In jene, die wirklich von Natur aus faul sind, und in jene, die sich von der Sportlichkeit ihrer Mitmenschen schwer überfordert fühlen – und deswegen am Sofa bleiben.

Mein Problem? Ich bin viele. Soll heißen: Ich kann jeder Betrachtungsweise etwas abgewinnen.

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Das Überleben der Angepasstesten

Ganz pragmatisch betrachtet appelliert so eine globale „Spontan-Pandemie“ natürlich an den menschlichen Überlebensinstinkt: Man ernährt sich gesünder, man bewegt sich mehr, man hält sich an die Regeln.

Zwar hat kaum eine Formulierung von Charles Darwin so viele Missverständnisse hervorgerufen wie sein „survival of the fittest“ – aber so, wie er es wirklich meinte, haut der Vergleich schon hin.

Der berühmte Naturwissenschaftler formulierte damit seine Beobachtung, dass in der Evolution diejenigen überleben, die an eine Umwelt am besten angepasst sind. Wörtlich übersetzt bedeutet der Ausspruch „Überleben des Angepasstesten“.

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Leidenschaftliche Outdoor-Sportler

Und wer sich der Krise anpasst, der schaut auf sich. Und joggt sich einen Wolf. Vielleicht hat Österreich ja auch deshalb den Outdoor-Sport so leidenschaftlich für sich entdeckt.

Leider – und das ist bei der Jänner-Kundschaft im Fitnesscenter nicht anders – ist das Gros der Neo-Radler, Neo-Walker und Neo-Läufer noch nicht so ganz an das Ambiente und vor allem an das Miteinander in ebendiesem gewöhnt. Aber sagen wir mal: Der Wille zählt.

Wenn man online wirklich jeden Fitness-Kurs belegt ...

Frau macht Yoga am Boden vor dem Laptop

Bild: Kari Shea/Unsplash

Ich hingegen habe nach der Schockstarre der ersten zwei Wochen nach dem Shutdown im März bei wirklich jedem Online-Fitness-Kurs mitgemacht, der damals schon angeboten wurde.

Jeden Tag um 10 Uhr vormittags turnte ich mit Herr und Frau „Urban Fitness“ in deren Wohnzimmer (abwechselnd auch in deren Garten), dazu kamen in weiterer Folge Online-Boxen mit meiner Mädelstruppe, dann Crossfit und Pilates mit Jasmin und zu guter Letzt: Zoom-Yoga mit Beate.

Was ich aus der Krise noch mitnehmen konnte

Als ich dann auch noch wie eine Besessene – und in Begleitung von halb Outdoor-Wien – bis nach Purkerdsorf und zurück wanderte, legte sich die Power-Euphorie rasch. Aua. Irgendwas war meinem Körper da einfach zu viel geworden.

Seitdem hatsche ich ein wenig. Und ertappe mich immer wieder beim Gedanken, mich mit der Schattengesellschaft der Unsportlichen zu solidarisieren. Mit jenen, die keine Lust darauf haben, das Beste aus sich herauszuholen. Die sich so genügen, wie sie sind.

Der Ohnmacht davonsporteln

Aus der Leistungsgesellschaft ist eine Überlebensgesellschaft geworden. Als könnte man dem möglicherweise drohenden Unheil davonlaufen, davonradeln, davonschwitzen. Ich konnte am Anfang gar nichts davon tun. Ich hockte wie gelähmt am Sofa und hatte Angst.

Nein, wartet: Gesundheit, Zukunft, Finanzen, Gesellschaftspolitik – ich hatte ein ganzes Ministerium an Ängsten.

Und während ich in den sozialen Medien beobachten konnte, wie viele Menschen eben diesen Ängsten bereits galant davonsportelten, klebte ich fest, und die Affen in meinem Kopf rüttelten wild schreiend an ihren Gitterstäben.

Es war schlimm, und ich glaube, jeder und jede von euch kann sich an so einen Moment erinnern. Wenn die Sorgen eskalieren. Wenn man gar nichts mehr spürt außer Ohnmacht.

Seltsame Übungen mit einem Fremden

Dass die „sozialen Medien“ tatsächlich auch durchaus sozial sein können, konnte ich an diesem Tag im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Körper erleben. Da klickte ich auf Alex Reitterer, also natürlich nur in Facebook und genauer gesagt: auf sein Video. Ich glaube, ihm ging es damals auch nicht gut und er wollte anderen, aber auch sich selbst damit helfen.

Ich kannte den jungen Mann in Schwarz nicht, ich kenne die Grinberg-Technik nur vom Hinschnuppern, aber „vertrauensvoll ließ ich mich fallen“, bei einem wildfremden Menschen, der mit sanfter Stimme zu ungewöhnlichen Übungen aufrief und diese auch ganz ungeniert per Live-Video demonstrierte.

Mein Körper, mein Freund

Er sagte „voll atmen“, und ich atmete voll, wahrscheinlich weil ich vor lauter Angst ganz darauf vergessen hatte. Ich massierte meinen Kopf, ich beklopfte meinen Kiefer, ich schüttelte meinen Körper – bis ich bemerkte, dass ich überhaupt einen habe.

Ich brauche meinen Körper, um im Kopf zu heilen –  und seit diesem Tag habe ich keine von Alex Facebook-Video-Sessions versäumt.

Weil mein Körper kein Werkzeug ist, das mich auf Riesenschritten hantelschwingend, leistungsbringend zum Ziel hieven soll. Er ist das Ziel, und ihm gilt es – samt all seiner Nerven, Muskeln, Knochen, mit all dem Blut und der Luft, die in uns zirkuliert –, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

In Liebe, nicht nur in Leistung.