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Neulich fragt mich ein Nachbar, was mit mir los sei, ich wirke unrund und unkonzentriert. Ich solle mir eine Babypause nehmen. Ich antwortete ihm, dass ich zwei Kinder habe, die zwar gerne auf das Unterhaltungsprogamm von Papa zurückgreifen, anders als im Kabarett muss ich mein Programm bei ihnen jedoch täglich erneuern. Ehrlich, sage ich, Babypause ist eines der blödesten Wörter, die es gibt. Denn mit einer „Pause“ hat Kindererziehung aber so gar nichts zu tun. Eigentlich müsste es Babyknechtschaft heißen ... 

Mein Nachbar meint, er habe da einen Tipp für mich. Er rät mir, mich mehr mit meinem eigenen Fluss zu beschäftigen, die Signale meiner Seele und so, mehr Ommm in die Aura bringen ... 
Stimmt schon. Ich bin wirklich etwas unruhig in letzter Zeit. Sogar mein Schweinehund würde dem Nachbarn recht geben, blickt er mich doch selbst immer so vorwurfsvoll an ... Was soll’s, denke ich. Probier ich es halt aus mit der Esoterik. Kann ja nichts schiefgehen, denn wo keine Wirkung, da auch keine Nebenwirkungen. 

Schamanische Selbstfindung in einem kleinen Ort in der Steiermark. Genau mein Ding.

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Nur wie beginnt man? Ich erinnere mich vage an meine Schulzeit. Vor jeder Matheschularbeit gab es Bachblütentropfen. Literweise. Ich schrieb zwar deshalb keine guten Noten, aber der leichte Alkoholgehalt in den Tropfen machte jede Vektorrechnung zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ich gehe also rüber zu einem anderen Nachbarn, um mir die Tropfen zu leihen. Das Schöne am Landleben ist die Tatsache, dass man nur „kurz“ rübergeht zum Nachbarn, nach drei Stunden wieder zurückkommt, ziemlich betrunken und natürlich ohne Bachblütentropfen. 

Steiermark

Bild: Elias Maurer/Unsplash

Neuer Versuch. Ich google Esoterikseminare. Dabei öffne ich aber nicht die erstbesten Anzeigen, denn ich habe Angst, es könnte sich hierbei um professionelle Geldmache handeln. Zur Sicherheit klicke ich auf ein Angebot auf Seite fünf der Google- Suche (Seite fünf der Google-Suche fühlt sich an wie das Darknet). Ich wähle: Schamanische Selbstfindung in einem kleinen Ort in der Steiermark. Genau mein Ding. 
Dort angekommen, erfahre ich, dass ich einst ein Krieger war, der nahe am Wasser lebte und sein ganzes Dorf vor einem Hochwasser gerettet hat. Bis heute gab es keinen Dank dafür. Auf die Frage, was denn meine Lieblingskraftorte seien, antworte ich: Schwarzwälder Kirsch. Betretenes Schweigen in der Gruppe. Ich habe unseren Schamanen falsch verstanden. Offenbar hat er nicht nach der Krafttorte gefragt. Das Seminar wird danach in beiderseitigem Einvernehmen abgebrochen. 
Verzweifelt versuche ich Wege zu finden, um entspannter zu werden. Ich lese einen Artikel über Menschen, die sich nur von Licht ernähren und so zu absoluter Ruhe finden. Kann ich mir gut vorstellen, denn wenn man in eine Energiesparlampe beißt, sind die Überlebenschancen eher gering. 
Enttäuscht kehre ich nach Hause zurück. Mein Schweinehund sitzt auf seinem Platz und grinst. Ich nehme meine Wasserpfeife zur Hand, fülle den Behälter halb mit Wasser, halb mit einer Jahresration Bachblütentropfen (unterwegs erstanden). Dazu Kirschtabak. Und siehe da – es wirkt. Ich bekomme danach so derartig Kopfweh, dass ich zufrieden einschlafe und ganz zur Ruhe komme. 

Wasserpfeife

Bild: Wesley Balten/Unsplash

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Am nächsten Morgen richte ich meinen Kindern ein Frühstück, setze mich zu ihnen an den Tisch und beobachte einen Vogel, der sich auf einen Feigenbaum setzt. Und für einen kurzen Moment habe ich eine Ahnung, wie es klappen könnte.