Alltagsängste: Wie du sie in den Griff bekommst
Mit Ängsten fühlt man sich oft alleine, dabei haben die meisten Menschen um uns herum ganz ähnliche Sorgen. Wir haben Mentalcoachin Karoline Schöbdorfer gefragt, wie man lernen kann im Alltag besser mit ihnen umzugehen und dadurch resilienter wird.
Vorab, hier geht‘s nicht um existenzielle Bedrohungen, wenn der Job plötzlich futsch ist oder der Arzt eine richtig schlechte Diagnose stellt, sondern diese lästigen Ängste, wenn du eine Präsentation vor Kollegen halten oder als Fahranfängerin zum ersten Mal durch Wien kurven sollst.
Evolutionstechnisch betrachtet kann Angst ziemlich sinnvoll sein. Unsere Vorfahren mussten ständig auf der Hut vor Raubtieren und anderen Gefahren sein. Angst half ihnen, wachsam zu bleiben und schnell zu reagieren, was ihre Überlebenschancen erhöhte. Auch heute noch kann Angst nützlich sein, indem sie uns vor potenziellen Gefahren warnt und uns dazu bringt, vorsichtig zu sein.
Methode 1: Das Lernzonenmodell
Einen ganz besonderen Nutzen der Angst führt Mentalcoach Karoline Schöndorfer mit dem Lernzonenmodell ins Treffen: „Bei diesem Konzept unterschiedet man die Komfortzone, die Lernzone und den Dschungel (= Panikzone). Man kann sie sich wie konzentrische Kreise vorstellen, die uns umgeben.“
In der Komfortzone fühlst du dich wohl und sicher. Hier findet kaum Lernen statt, weil die Aufgaben und Situationen vertraut sind.
Die Lernzone ist der Ort des aktiven Lernens. Hier bist du bereit, neue Fähigkeiten zu erwerben und dich Herausforderungen zu stellen. Es kann anfängliche Unsicherheiten oder Ängste geben, aber es ist ein positiver Raum für Wachstum und Entwicklung.
Der Dschungel. Hier sind die Anforderungen oder Herausforderungen zu groß, und du wirst nicht gefordert, sondern überfordert.
„Umgelegt auf die Angst heißt das, verlass möglichst häufig deine Komfortzone und geh in die Lernzone. Das hilft dir deinen Komfortbereich auszudehnen und Tätigkeiten, die dich vorher ängstlich gemacht haben, fallen nun in den Komfortbereich. So entwickelst du dich weiter, wirst stärker und gelassener. Wenn du dich den Herausforderungen in der Lernzone stellst, dann mach das mit Freude! Denn das Gegenteil von Angst ist Freude“, sagt Karoline Schöndorfer.
Erfolg mit der Komfortzone: Interview mit Bestsellerautorin Kristen Butler
„Wer über sich hinauswachsen will, muss sich vor allem wohlfühlen“, sagt US-Bestsellerautorin Kristen Butler. Ein Plädoyer für einen Leistungsbegriff, der Erfolg nicht an Härte knüpft und Raum fürs Menschsein lässt. Weiterlesen...
Methode 2: De-Sensibilisieren
Eine andere Möglichkeit, mit den eigenen Ängsten besser klarzukommen, ist Desensibilisierung.
Wie das in der Praxis aussehen kann, erklärt Karoline Schöndorfer an einem Beispiel: „Sagen wir, Du hast Angst, mit dem Auto in der Stadt zu fahren, musst es aber aus beruflichen Gründen tun. Dann ist es wichtig, Du stellst Dich diesem Thema, und das am besten schrittweise. Du fährst zum Beispiel erst nur am Stadtrand, dann vielleicht am Wochenende und irgendwann schaffst Du es, sogar zur Stoßzeit durch die Stadt zu fahren.“
Methode 3: Die Angst eingrenzen
Viele Ängste wirken groß, weil eine große Menge Drama in ihnen steckt. Karoline Schöndorfer: „Wir sagen, wir fürchten uns vor einer Situation, dabei ist es häufig nur ein Teilaspekt, vor dem wir uns fürchten.“
Und weiter: „Nehmen wir an, du musst eine Präsentation vor deinen Kollegen halten. Dann kannst du dich fragen, was ist es denn konkret, vor dem ich mich fürchte? Und dann kommst du auf einmal darauf, dass du vielleicht Angst hast, dass die Technik nicht funktioniert und du dich blamierst. Plötzlich ist es nicht mehr die Angst vor der ganzen Präsentationssituation, sondern es ist nur ein Aspekt, und auf den kannst du dich vorbereiten, indem du zum Beispiel schon vorab sagst, ich brauche jemanden, der mir mit der Technik hilft, das ist nicht meine Stärke.“
Karoline hat noch folgende Tipps für euch, auf die ihr im Alltag immer wieder zurückgreifen könnt:
8 Life-Hacks gegen Ängste
1. Atme tief durch
Eine der einfachsten und effektivsten Methoden, um Angst zu reduzieren, ist die tiefe Atmung. Wenn du merkst, dass die Angst aufkommt, nimm dir einen Moment Zeit und atme tief durch die Nase ein und langsam durch den Mund aus. Diese Technik hilft, dein Nervensystem zu beruhigen und deinen Geist zu klären.
2. Visualisiere deinen Erfolg
Stell dir vor, wie du die Situation erfolgreich meisterst. Ob es ein schwieriges Gespräch oder ein öffentlicher Auftritt ist – visualisiere, wie du selbstbewusst und ruhig agierst. Diese positive Vorstellung kann dir helfen, deine Angst zu reduzieren und dein Selbstvertrauen zu stärken.
3. Bereite dich gut vor
Vorbereitung ist der Schlüssel, um Ängste zu minimieren. Wenn du vor einer Prüfung oder einem wichtigen Gespräch stehst, nimm dir ausreichend Zeit, um dich vorzubereiten. Je besser du vorbereitet bist, desto sicherer wirst du dich fühlen.
4. Nutze positive Affirmationen
Positive Affirmationen sind kurze, kraftvolle Sätze, die dir helfen können, negative Gedanken zu überwinden. Wiederhole Sätze wie „Ich bin stark und fähig“ oder „Ich kann diese Herausforderung meistern“, um dein Selbstbewusstsein zu stärken.
5. Bewege dich
Körperliche Aktivität ist eine großartige Möglichkeit, um Stress und Angst abzubauen. Ein Spaziergang, Yoga oder eine kurze Trainingseinheit können Wunder wirken und dir helfen, dich besser zu fühlen.
6. Lerne Entspannungstechniken
Techniken wie Meditation, progressive Muskelentspannung oder Achtsamkeit können dir helfen, deine Angst zu reduzieren und dich zu entspannen. Probiere verschiedene Methoden aus und finde heraus, was für dich am besten funktioniert.
7. Führe ein Angst-Tagebuch
Schreibe auf, wann und warum deine Angst auftritt. Indem du das aufschreibst, kannst du Muster erkennen und besser verstehen, was deine Angst auslöst. Außerdem kann es helfen, deine Sorgen auf Papier zu bringen, anstatt sie nur im Kopf zu wälzen.
8. Nutze Musik als Stimmungsaufheller
Wenn du merkst, dass Angst aufkommt, kann Musik Wunder wirken. Stell dir eine Playlist mit deinen Lieblingssongs zusammen, die dich in gute Laune versetzen oder beruhigen. Musik kann dir helfen, dich abzulenken und deinen Fokus neu auszurichten, sodass die Angst weniger präsent ist.
Nachgefragt bei:
Karoline Schöndorfer ist UNIQA Vitalcoach, akademischer Mentalcoach und Psychosoziale Beraterin (Dipl. Lebens- und Sozialberaterin und Gründerin des Instituts für Mentalcoaching.) Durch die langjährige Tätigkeit mit Kunden im Bereich mentale Gesundheit (Lifestyle- und Gesundheitsbereich) entwickelte sich ihr Verständnis, dass der Schlüssel für ein gesundes, erfülltes Leben im mentalen Bereich zu finden ist.
Therapeutin Larissa Kranisch: Klettern als Therapie gegen Depression und Angst
Bewegung als Therapie und die daraus resultierenden positiven Veränderungen – darum geht’s in der neuen Folge. Und ganz nebenbei bescheren uns Klettern und Bouldern einen Perspektivenwechsel. Weiterlesen...