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Den ersten Schritt machen wir, den zweiten unsere Kinder. Als Österreichs Bundeskoordinator für Bewegung plant Gernot Schweizer, ehemaliger Trainer von Marcel Hirscher, Physiotherapeut und Autor des Buches „Bewegung!“, Motorikparks und Jugendspielplätze. Um für mehr Bewegung in der nächsten Generation zu sorgen, braucht es laut ihm nicht allzu viel.

Seit 2018 sind Sie Bewegungskoordinator der österreichischen Regierung. Das ist ein klarer Auftrag. Was tun Sie?
Wir wollen Plattformen schaffen, um Menschen in Bewegung zusammenzubringen. Zum Beispiel mithilfe von Webseiten, die flächendeckende Bewegungspoints und -meetings sammeln und für alle abrufbar machen. Etwa: Ich wohne in Salzburg-Aigen und suche jemanden, der dreimal die Woche mit mir spazieren geht. Ich will auch Motorikparks für Erwachsene und Spielplätze für Jugendliche in die Städte bringen. Adipöse Teenies, dreißigjährige Bandscheibenpatienten, Kleinkinder mit Haltungsschäden – wenn alle mitmachen, Sportverbände, Volkshochschulen, Privatorganisationen, können wir das in den Griff kriegen. Ein Ziel ist, die Kosten der Wirbelsäulenerkrankungen von 1,8 Milliarden Euro auf 500 Millionen im Jahr zu reduzieren und die Differenz in die Prävention zu stecken.

Was können wir also dafür tun, um bei unseren Kindern den Schritt in Richtung Bewegung richtig zu setzen?
Geben wir ihnen doch die Chance, Bewegung zu erleben. Ein Kind kommt mit 1,2 Milliarden Gehirnzellen auf die Welt, von denen unglaublich viele für Bewegungsmuster ausgelegt sind. Wenn das Kind Bewegung aber nicht erlernt, weil es zu lange in einer monotonen Positionierung verharrt, etwa in der Wippe, wird es später auch nie auf Erlerntes zurückgreifen können.

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Und wenn die Kinder schon älter sind?
Stichwort Treppe: Lassen Sie Bewegung nicht nur zu, sondern leben Sie sie auch vor. Sie könnten die Kinder zu Fuß in die Schule bringen, anstatt sie zu fahren. Ihnen erlauben, im Regen zu spielen, wenn sie entsprechend angezogen sind. Sie balancieren, hüpfen, rückwärts laufen, Purzelbäume schlagen, auf Bäume klettern lassen. Und runterfallen. Denn so lernen sie. Es gibt kein Kind, das ohne Bewegungsdrang auf die Welt kommt. Aber es gibt viele, denen er genommen wird.

Aber dürfen Kinder nicht auch manchmal faul sein?
Klar, immer wieder. Mit einem Schüsserl Chips auf der Couch liegen – herrlich! Das Geheimnis lautet aber: Mittelmaß.

Kartoffelchips in einer Schüssel

Bild: Emiliano Vittoriosi/Unsplash

Eltern sind aber nicht der einzige Einfluss, dem ein Kind ausgesetzt ist. Da gibt es eine ganze Reihe von Systemen, die an der Kindererziehung beteiligt sind. Wann kommen die ins Spiel?
Die sollten die ganze Zeit mitspielen. Die Wahrheit ist aber: Die Gesellschaft hat Angst, Kinder sich überhaupt noch bewegen zu lassen. Sie lässt es zu, dass Lehrer verklagt werden, wenn sich Kinder beim Ballspielen den Fuß verknacksen. Es fehlt eine grundlegende Reform der Lehrpläne für Bewegung und Sport an den Schulen und verpflichtende Ausbildungen für Pädagogen in diesem Bereich. Wir brauchen den offiziellen Auftrag von ganz oben, eine gesunde Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen. Natürlich gibt’s Schulen, wo die Richtung schon stimmt, aber das verdanken wir dann nur der jeweiligen Schulleitung. Jeder kocht sein eigenes Süppchen.

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Und wie merke ich, dass mein bewegtes Kind bereit für mehr ist?
Wenn es will, lassen Sie es alles ausprobieren. Findet es seine Sportart, kommen Leidenschaft und Ehrgeiz von selbst. Denken Sie daran: Wir schöpfen aus all dem, was wir erlebt haben. Ich habe kein einziges meiner drei sehr sportlichen Kinder in einer Sportart gefördert. Aber alle drei ermutigt, sich zu bewegen.

Gernot Schweizer lebt und arbeitet in Salzburg. Sein Buch „Bewegung!“ ist im Ecowin Verlag erschienen.